Der Bitcoin-Kurs schrieb mit dem April den schlechtesten Monat seit November 2022 und setze am ersten Handelstag im Mai den Abverkauf auf unter 57.000 US-Dollar fort. Der gestrige Tag war begleitet von einem absoluten Negativrekord für die im Januar in den USA zugelassenen Bitcoin-Spot-ETFs: Erstmals flossen keinem der elf Anlageprodukte Mittel zu und mit einem Nettoabfluss von 563 Millionen US-Dollar war es der mit Abstand schlechteste Tag für Bitcoin-ETFs.

Rekordabflüsse

Mit 563 Millionen US-Dollar an aus den Anlageprodukten abgezogenen Mitteln setzte der gestrige Handelstag einen deutlichen neuen Negativrekord. Bis dahin war der 19. März mit Nettoabflüssen von 326 Millionen US-Dollar der schlechteste Tag für die Bitcoin-Spot-ETFs aus den USA. Fast 200 Millionen US-Dollar entfielen dabei alleine auf den ETF von Fidelity ($FBTC), dem drittgrößten Vermögensverwalter der Welt. Und auch der ETF von BlackRock ($IBIT) verzeichnete gestern zum ersten Mal Abflüsse – knapp 37 Millionen US-Dollar an Bitcoin verließen den börsengehandelten Fonds. Vor wenigen Tagen beendete der ETF des Branchenprimus erst seine Zuflussserie von 71 Handelstagen, die ihn in dieser Hinsicht zum zehntbesten ETF aller Zeiten machte. Eine Besonderheit des gestrigen Handelstags ist zudem, dass erstmals gar keiner der elf Spot-ETF neues Kapital aufsaugen konnte.

Die kumulierten, also aufsummierten, Nettozuflüsse der ETFs sind damit auf das niedrigste Niveau seit dem 12. März gefallen. Sie stagnieren dennoch auf einem hohen Niveau und sind mit 11,2 Milliarden US-Dollar nur rund 1,4 Milliarden unter dem Höchststand.

Insgesamt halten die elf Anlageprodukte zusammengenommen immer noch knapp 825.000 BTC, die derzeit einen Gegenwert von etwa 48 Milliarden US-Dollar haben. Damit sind den Bitcoin-ETFs insgesamt seit dem Höchstpunkt nur gute 16.000 BTC abgeflossen.

Dennoch hält die insgesamt nachlassende Nachfrage nach den ETFs weiter an und sie scheint sich derzeit sogar zu verschärfen.

Doch es sieht danach aus, als könnten bald die ETF-Zuflüsse wieder an Fahrt aufnehmen. BlackRock ist nämlich eigenen Angaben zufolge dabei, große institutionelle Investoren über Bitcoin und das eigene Anlageprodukt aufzuklären.

Viele dieser interessierten Firmen – ob es sich nun um Pensionskassen, Stiftungen, Staatsfonds, Versicherungen, andere Vermögensverwalter oder Family Offices handelt – führen fortlaufend Prüfungs- und Forschungsgespräche, und wir spielen dabei aus der Perspektive der Aufklärung eine Rolle.
Robert Mitchnick, Leiter der Abteilung für digitale Assets bei BlackRock

Laut Mitchnick wird auf die derzeitige Flaute wahrscheinlich eine neue Zuflusswelle durch andere Investorengruppen folgen. Der Leiter der Abteilung für digitale Assets bei BlackRock gab zudem bekannt, dass der größte Vermögensverwalter der Welt schon seit mehreren Jahren diese Art von Konversationen rund um Bitcoin im Hintergrund führt.

Weitere Kaufnachfrage könnte auch durch die Finanzdienstleistungen von Morgan Stanley bald auf die Bitcoin-ETFs zukommen. Die Großbank bemüht sich aktiv darum, mit zwölf der hauseigenen Fonds in die neuen Bitcoin-ETFs investieren zu können. Vor wenigen Tagen hat Morgan Stanley einen neuen Antrag dafür bei der US-Aufsichtsbehörde SEC eingereicht. 

Bitcoin-ETFs ein Flopp?

Trotz der Korrektur im Bitcoin-Kurs waren die Spot-ETFs seit Auflage jedoch ein großer Erfolg. Mit einem Kursanstieg von über 20 Prozent seit dem ersten Handelstag am 11. Januar haben die Bitcoin-ETFs andere börsengehandelte Fonds wie den auf den US-amerikanischen Technologieindex Nasdaq 100 alt aussehen lassen.

Und auch die Tatsache, dass nach dem fulminanten Start der ETFs auch mal wieder einige Mittel abfließen ist kein Grund zur Sorge. In der ETF-Welt ist dies vollkommen normal. Das betonte auch noch einmal Nate Geraci, Mitgründer des ETF-Instituts. Bloomberg-ETF-Experte James Seyffart stimmte dieser Meinung mit einem Retweet zu.

Also, der iShares Bitcoin ETF hatte den ersten Tag mit Abflüssen (37 Mio. $)…

Er hat mehr als 15 Mrd. $ aufgesaugt.

Zur Veranschaulichung: Der iShares Gold ETF hat in diesem Jahr 1 Mrd. $ *Abflüsse* verzeichnet.

Der SPDR Gold ETF hat Abflüsse von 3 Mrd. $ verzeichnet.

Und Gold ist im laufenden Jahr um 16 % gestiegen.

Das ist es, was ETFs tun. Die Zuflüsse steigen nicht in einer geraden Linie an.
Nate Geraci, Mitgründer des ETF-Instituts

Nichtsdestotrotz ist es interessant zu beobachten, dass die ETF-Investoren anscheinend insbesondere dann auf den Verkaufsknopf drücken, wenn der Bitcoin-Kurs fällt. Eine weitverbreitete Annahme vor der Zulassung der Anlageprodukte war, dass durch diese die Schwankungen – zumindest die nach unten – abnehmen werden. Jetzt sieht es aber eher danach aus, als würde die Wall Street Bitcoin doch eher auch prozyklisch handeln.

Die derzeitige Korrektur von über 20 Prozent ist für Bitcoin generell mehr als nur normal. Selbst in Bullenmärkten ist es üblich, dass Bitcoin mehrmals um knapp ein Drittel einbricht. So beispielsweise Anfang 2021, als der Kurs von ungefähr 42.000 auf 29.000 binnen weniger Tage gefallen ist, nur um sich im Anschluss mehr als zu verdoppeln.

Aktuelle Marktlage

Sorgen vor einer höheren Inflation in den USA, welche der Federal Reserve wohl keinen Raum für die geplanten Zinssenkungen geben würde, belasten den Markt. Aus diesem Grund sind neben Bitcoin auch die traditionellen Märkte derzeit unter Druck. Die US-Inflation liegt mit 3,5 Prozent deutlich über dem ausgeschriebenen 2-%-Ziel. In dieser Woche wurde zudem die Lohninflation für das erste Quartal gemeldet, die höher als erwartet ausfiel. Besserung auf der Inflationsfront ist derzeit entsprechend nicht wirklich abzusehen.

Gestern Abend tagte die US-Notenbank und die Geldhüter verkündeten, dass sie den Leitzins in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent beibehalten werden. Dies antizipierte der Markt zwar im Vorhinein, doch der Notenbankchef Jerome Powell, verkündete in der Fragerunde, dass Zinsanhebung äußerst unwahrscheinlich sind. Zudem gab die Federal Reserve bekannt, ab Juni die Bilanzreduktion zu drosseln, wodurch das geldpolitische Umfeld in absehbarer Zeit ein wenig lockerer wird. Seit September 2022 reduziert die Federal Reserve ihre Bilanz monatlich über 60 Milliarden US-Dollar. Künftig sollen es werden es nur noch 25 Milliarden US-Dollar sein.

Sowohl der Aktienmarkt als auch der Bitcoin-Kurs atmeten nach der doch eher positiv aufgenommenen Notenbanksitzung kurz auf, gaben dann aber den Großteil der Gewinne wieder ab. Aktuell geht der Markt von ein bis zwei Zinssenkungen in diesem Jahr aus – vor wenigen Monaten waren es noch deutlich mehr als das. 

Ein weiterer Belastungsfaktor, der ebenfalls über den Märkten schwebt, ist die an Fahrt verlierende US-Wirtschaft. Im ersten Quartal ist das Bruttoinlandsprodukt der USA nur um 1,6 Prozent gewachsen – Experten rechneten mit 2,4 Prozent. Darüber hinaus sind die Marktteilnehmer von den Aussichten, welche die Unternehmen im Rahmen der Berichtssaison vermelden, im Großen und Ganzen enttäuscht. 

Die Gefahr einer sogenannten harten Landung in den USA, also im Endeffekt einer Rezession, scheint zunehmend eingepreist zu werden. Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich das Zusammenspiel aus Geldpolitik, Inflation und Wirtschaftsleistung weiter entwickelt. Bitcoin ist nämlich nicht ganz ausgenommen von den Bewegungen am traditionellen Finanzmarkt, geschweige den von der Geldpolitik.

Ob den Bitcoin-ETFs bei einer besseren Marktlage wieder viele Mittel zufließen werden – so wie es im Februar und in der ersten Märzhälfte der Fall war –, bleibt abzuwarten.