Kaum jemand polarisiert so sehr wie Argentiniens Präsident Javier Milei. Im Rahmen seines Deutschlandbesuches inklusive Treffen mit dem Bundeskanzler Olaf Scholz berichteten die Leitmedien wieder verstärkt über seine kontroverse Politik. Dabei bedienen sich Tagesschau und Co. gerne der Begriffe „autoritär“ und „Rechtspopulist“ für den libertären Staatsführer, der sich für freie Märkte und gegen einen aufgeblähten Staatsapparat ausspricht.

Während Milei mit seinem radikalen Sparkurs die Inflation, unter der Argentinien seit Jahrzehnten chronisch leidet, in den Griff zu bekommen scheint, beteuerte der 53-Jährige erneut, dass die Bürger in einem freien Geldmarkt auch Bitcoin als Geld verwenden können sollen.

Inflation geht deutlich zurück

Argentinien leidet seit Jahrzehnten unter starken Preissteigerungen beziehungsweise unter einem hohen Wertverlust der eigenen Währung, dem argentinischen Peso. Die Inflationsrate für den Mai lag bei 276,4 Prozent, etwas unter dem Wert von 292,2 Prozent für den April. 

Doch unter den immer noch astronomisch hohen Inflationszahlen, die die Änderung zum Vorjahresmonat ausdrücken, versteckt sich ein positiver Trend, der seit einigen Wochen zu beobachten ist. Seit Mileis Amtseinführung am 10. Dezember 2023 gehen die Inflationsraten, die in die Wahl hinein auszuufern schienen, von Monat zu Monat gemessen deutlich zurück.

Dies bedeutet zwar, dass die Preise immer noch im Vergleich zum Vormonat weiter steigen, aber eben deutlich langsamer als vorher. Die marktwirtschaftliche Politik des libertären Präsidenten scheint den Trend der immer weiter ansteigenden Inflationsraten gebrochen zu haben.

Vergangene Woche war es zudem das erste Mal seit langer Zeit der Fall, dass die Nahrungsmittelpreise im Vergleich zur Vorwoche nicht weiter angestiegen sind – ein großer Erfolg für das Hochinflationsland Argentinien.

Dies gelang der Regierung wohl primär durch den radikalen Sparkurs. Milei strich zehntausende Stellen im öffentlichen Dienst, schloss 13 Ministerien, stampfte Infrastrukturprojekte ein und kürzte Subventionen und Sozialprogramme. Im ersten Quartal dieses Jahres wies Argentinien dadurch das erste Mal seit dem Jahr 2008 einen Haushaltsüberschuss aus.

Auch wenn diese Politik die Inflation eindämmt, stößt sie in Teilen der argentinischen Bevölkerung auf große Kritik. Durch die Sparmaßnahmen sind nun mal unzählige Staatsbedienstete arbeitslos geworden und so aus der Mittelschicht in die ohnehin in dem Land weitverbreitete Armut abgerutscht. Rund jeder zweite Argentinier lebt unterhalb der Armutsgrenze. Dies ändert jedoch nichts daran, dass laut aktuellen Umfragen mehr als die Hälfte der Bevölkerung hinter dem selbsternannten „Anarcho-Kapitalisten“ steht – jedoch mit einem leichten Abwärtstrend in der Zustimmungsrate.

Auch wenn dieser starke Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik logischerweise nicht alle Bürger auf Anhieb zufriedenstellt – insbesondere wenn sie dadurch ihren Beamtenjob verloren haben – scheint der Großteil der Bürger die nötige Weitsicht mitzubringen. Denn sollte sich dieser Kurs als nachhaltig förderlich für die Wirtschaft herausstellen und zu einer Stabilität des Preisniveaus führen, dann dürfte die Gesamtbevölkerung davon deutlich profitieren. Gemeinhin gilt die Abwertung der lokalen Währung nämlich als einer der Hauptgründe für die hohe Armutsquote in Argentinien.

Es bleibt spannend, zu beobachten, wie sich die ökonomische Situation Argentiniens weiter entwickelt und ob das Bruttoinlandsprodukt der drittgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas durch den Kurswechsel künftig ebenfalls stark profitieren kann. Positiv ist in jedem Fall die gestiegene Zahlungsfähigkeit des südamerikanischen Landes, das seit dem Jahr 2001 dreimal pleitegegangen ist. Auch der argentinische Aktienmarkt hat seit der Wahl Mileis ordentlich zulegen können – um rund ein Drittel, gemessen im US-Dollar.

Insbesondere der Vergleich mit Mexiko dürfte in den kommenden Monaten interessant werden. Dort wählten die Bürger Anfang Juni eine Präsidentin mit stark sozialistischer Orientierung ins Amt. Claudia Sheinbaum setzt einen größeren Wert auf „soziale Gerechtigkeit“, ist für deutlich höhere Mindestlöhne, die Stärkung staatlicher Unternehmen und sie möchte als Umweltingenieurin einen größeren Fokus auf die Bekämpfung des Klimawandels legen.

Der Aktienmarkt der hinter Brasilien zweitgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas brach in Reaktion auf die Meldung, dass Sheinbaun die neue Präsidentin wird, unmittelbar um 6 Prozent ein. Ob Mexiko oder Argentinien sich in den kommenden Monaten besser entwickeln wird, dürfte mit Sicherheit einen großen Einfluss auf den politischen Trend Mittel- und Südamerikas haben.

Bitcoin in Argentinien

Längerfristig hat Javier Milei vor, die argentinische Zentralbank abzuschaffen. Entsprechend war die Hoffnung einiger Bitcoin-Befürworter groß, dass das südamerikanische Land bald, wie El Salvador es bereits tut, auf Bitcoin setzt. Doch der Plan ist vorerst die Dollarisierung der argentinischen Wirtschaft, in der ohnehin schon zu guten Teilen die Weltwährung zirkuliert.

Nichtsdestotrotz spricht sich der libertäre Präsident immer wieder für einen freien Geldwettbewerb aus, in dem die Menschen freiwillig entscheiden können, welches Geld sie verwenden. Wenige Tage nach Mileis Amtseintritt brachte die Regierung bereits eine Verordnung auf den Weg, die es erlaubt, in verschiedenen Zahlungsmitteln Verträge zu vereinbaren. „Wir ratifizieren und bestätigen, dass argentinische Verträge in Bitcoin abgeschlossen werden können“, erklärte die argentinische Außenministerin Diana Mondino daraufhin auf der Plattform 𝕏 – Blocktrainer.de berichtete.

Momentan sind in Argentinien noch Kapitalkontrollen intakt, welche die Regierung Schritt für Schritt aufheben möchte. Banken und Zahlungsdienstleistern ist es derweil nach wie vor untersagt, jegliche Art von Krypto- und Bitcoin-Dienstleistungen anzubieten. Nichtsdestotrotz scheint es das längerfristige Ziel von Milei zu sein, einen freien Geldmarkt zu etablieren, in dem jeder mit dem für sich geeigneten Geld bezahlen kann – insofern der Verkäufer es freiwillig akzeptiert. Dies betonte der Präsident vor wenigen Tagen erst auf der Plattform 𝕏.

Bitcoin für alle. :)
Gabor Gurbacs

Es wird einen freien Wettbewerb der Währungen geben, wenn Sie also Bitcoin verwenden wollen, wird es keine Probleme geben ... und Sie können auch andere Einheiten wie WTI, BTU und die für Ihr Unternehmen am besten geeignete verwenden ... In der Buchhaltung wird das Problem durch die Methode der funktionalen Währung gelöst ...
Javier Milei

Ein mutiges Experiment

Da Bitcoin-Enthusiasten meist Befürworter freier Märkte sind, dürfte für sie die Entwicklung Argentiniens unter dem anarcho-kapitalistischen Präsidenten durchaus spannend zu beobachten sein. Sollte es dem südamerikanischen Land durch den Schritt hin zu einem Minimalstaat gelingen, nachhaltige Wohlstandseffekte zu generieren, dann wäre dies das perfekte Beispiel, um zu zeigen, welche Vorteile eine freie Marktwirtschaft und ein sich aus der Wirtschaft zurückhaltender Staat haben.

Ob und in welchem Umfang Bitcoin in Javier Mileis Argentinien künftig eine Rolle spielen wird, gilt es abzuwarten. Da Argentinien hinsichtlich der Adoption von Bitcoin und Co. ganz weit vorn mit dabei ist und jüngst einen Bitcoin-Aufschwung erleben konnte, wäre es gut möglich, dass sich in einem freien Geldmarkt viele Bürger für das Asset als Geld entscheiden werden. Bitcoin ist nämlich auf knapp 21 Millionen Einheiten begrenzt, wodurch es einen Schutz vor dem Wertverlust staatlicher Währungen darstellen kann. Aufgrund der hohen Inflation der vergangenen Jahrzehnte dürften die Bürger für dieses Thema durchaus sensibilisiert sein.

Über den Autor: Tristan

Tristan ist studierter Volkswirt mit journalistischer Erfahrung außerhalb von Blocktrainer.de. Seit 2020 ist Tristan im Bitcoin-Space aktiv, schon in den Jahren zuvor beschäftigte er sich mit libertärer Wirtschaftstheorie.

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