Bei einem Event an der NYU School of Law in Manhatten hat Gary Gensler, der Vorsitzende der US-Börsenaufsicht SEC, am Mittwoch seine Skepsis gegenüber Bitcoin und anderen Kryptowährungen als zukünftige Zahlungsmittel zum Ausdruck gebracht. Er verwies dabei unter anderem auf das Greshamsche Gesetz, um seine Einschätzung zu untermauern, dass es unwahrscheinlich sei, dass Bitcoin und Co. jemals eine breite Akzeptanz als Währung finden werden. Doch was genau bedeutet dieses Gesetz, und wie passt es zu Genslers Argumentation? Tatsächlich zeigt eine nähere Analyse, dass das Greshamsche Gesetz in diesem Zusammenhang möglicherweise missverstanden wurde – und dass Bitcoin durchaus das Potenzial besitzt, langfristig als „gutes Geld“ zu bestehen.

Das Greshamsche Gesetz

Das Greshamsche Gesetz, benannt nach dem englischen Kaufmann Sir Thomas Gresham, beschreibt (etwas salopp gesagt) das Phänomen, dass „schlechtes Geld das gute Geld verdrängt“, wenn zwei Zahlungsmittel mit unterschiedlichen Werten parallel in einem Markt existieren. Der Grund liegt darin, dass Menschen dazu neigen, das schwächere, also inflationsanfällige Geld schneller auszugeben, während sie das wertstabilere Geld lieber horten. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die parallele Verwendung von Gold und Silber im 19. Jahrhundert. Während Gold aufgrund seiner Knappheit als Wertaufbewahrungsmittel fungierte, wurde Silber häufiger im Alltag verwendet, da es für kleinere Zahlungen praktischer war.

Genslers Argumentation

Genslers Bezug auf das Greshamsche Gesetz impliziert, dass Bitcoin und andere Kryptowährungen nicht die Eigenschaften besitzen, um in einem solchen Konkurrenzumfeld langfristig zu bestehen. Er argumentiert, dass Menschen Bitcoin aufgrund seiner hohen Volatilität eher als spekulativen Vermögenswert denn als Zahlungsmittel betrachten. Seiner Auffassung nach würde der US-Dollar, gestützt durch die US-Regierung, die Funktion als Zahlungsmittel behalten, während Bitcoin allenfalls als Wertspeicher gehortet würde, aber nicht in breiter Anwendung zirkuliert.

Obwohl Gary Gensler in der Vergangenheit eindeutig zwischen Bitcoin (Rohstoff) und anderen Kryptowährungen (Wertpapieren) unterschieden hat, setzt er bei diesem Aspekt die größte Kryptowährung plötzlich mit allen anderen gleich. 

[Eine Nation] will eine Währungseinheit, weil sie ein Wertaufbewahrungsmittel, ein Tauschmittel, eine Rechnungseinheit ist. Das alles hat eine enorme Netzwerkökonomie. Es ist also unwahrscheinlich, dass dieses Zeug eine Währung sein wird. Es muss seinen Wert durch Verbreitung und Nutzung unter Beweis stellen. ... Genauso, wie man unter den Tausenden von Wertpapieren, die an der Börse notiert sind, auswählen kann.
Gary Gensler auf dem NYU School of Law-Event 

Bitcoin besitzt jedoch entscheidende Unterschiede zu anderen Kryptowährungen, zum Beispiel was die Emission der Token, die begrenzte Menge, die Sicherheit des Netzwerks, das Konzept und die Intentionen der Persönlichkeiten hinter den Token betrifft.

Tatsächlich könnte das Greshamsche Gesetz langfristig eher den Erfolg von Bitcoin als hartem Geld unterstützen, wenn es von einem anderen Blickwinkel betrachtet wird. In einem freien Markt könnte sich nämlich das „härteste“ Geld durchsetzen – und hier spielt die begrenzte Menge von Bitcoin eine entscheidende Rolle. Im Vergleich zu staatlichen Währungen (oder teilweise auch anderen Kryptowährungen), die theoretisch unbegrenzt vermehrt werden können, bietet Bitcoin eine maximale Obergrenze von circa 21 Millionen Einheiten. Diese Knappheit ist ein grundlegendes Merkmal, das Bitcoin zu einem begehrten Wertaufbewahrungsmittel macht. Es erscheint logisch, dass Menschen eher dazu tendieren, eine Währung zu speichern, die nicht beliebig vermehrbar ist, anstatt diese schnell auszugeben. Somit könnte Bitcoin langfristig als bevorzugtes Wertaufbewahrungsmittel fungieren, ähnlich wie Gold in der Vergangenheit.

Das „Thiersche Gesetz“ als Gegenstück

Im Gegensatz zum Greshamschen Gesetz steht das „Thiersche Gesetz“, das besagt, dass in einem freien Markt tendenziell das stärkere Geld das schwächere verdrängt. Wenn eine Währung zu stark an Wert verliert, akzeptieren Händler diese irgendwann nicht mehr, und die stärkere Währung setzt sich durch. Ein aktuelles Beispiel hierfür sind Schwellen- und Entwicklungsländer, wo viele Händler lieber in stabileren Währungen wie dem Euro oder Dollar bezahlt werden möchten, anstatt in der heimischen, stark inflationären Währung.

Genslers Argumentation könnte also durch das Thiersche Gesetz widerlegt werden. Denn wenn Bitcoin tatsächlich langfristig die stabileren Eigenschaften besitzt, könnte es auf lange Sicht das schwächere, inflationäre Fiat-Geld verdrängen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Vertrauensverlust in staatliche Währungen weiter zunimmt und Menschen nach alternativen Wertaufbewahrungsmitteln suchen.

Die Perspektive entscheidet

Die Diskussion um die Zukunft von Bitcoin und Co. dreht sich maßgeblich um die Frage, welches Geld sich in einem freien Markt langfristig als Zahlungsmittel durchsetzt: das „gute“ oder das „schlechte“ Geld. Genslers Argumentation funktioniert nur aus dem Blickwinkel eines Fiat-Standards und wenn man Faktoren wie “Wertstabilität” nur kurzfristig betrachtet. Langfristig sind Fiatwährungen nämlich alles andere als wertstabil.

Seine Sichtweise ist also nicht unangefochten. Während das Greshamsche Gesetz beschreibt, dass in bestimmten historischen Kontexten „schlechtes“ Geld als Zahlungsmittel dominieren kann, zeigt das Thiersche Gesetz, wie erwähnt, dass auf freien Märkten, in denen Händler und Verbraucher frei entscheiden können, eher das „gute“, wertstabilere Geld das schwächere verdrängt. So kann es gerade in Krisenzeiten oder in Volkswirtschaften mit instabilen Währungen sinnvoll sein, sich auf Alternativen wie den US-Dollar oder zunehmend auch auf Bitcoin als Wertaufbewahrungsmittel zu stützen.

Bitcoin, das durch seine Knappheit und die begrenzte Gesamtmenge von 21 Millionen Einheiten charakterisiert ist, wird mittlerweile von vielen Menschen als „hartes“ Geld betrachtet. In einem Umfeld, in dem staatliche Währungen durch expansive Geldpolitik kontinuierlich an Wert verlieren, erscheint es für viele logisch, sich auf ein knappes Gut zu fokussieren. Diese Perspektive unterstreicht, dass das Horten von Bitcoin nicht nur eine spekulative Entscheidung ist, sondern auch eine langfristige Strategie zur Absicherung gegen die Inflation traditioneller Fiat-Währungen.

Letztlich hängt die Antwort auf die Frage, ob sich Bitcoin als Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel oder generell als Geld durchsetzt, von der Perspektive ab, aus der die Debatte betrachtet wird. Aus regulatorischer Sicht, wie sie Gary Gensler vertritt, liegt der Fokus darauf, Risiken für Investoren zu minimieren und die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten. Er sieht in Bitcoin vor allem einen volatilen Vermögenswert, der die klassischen Funktionen von Geld nicht übernehmen kann. Aus der Sicht vieler Befürworter liegt er damit jedoch falsch.

Die Realität ist wahrscheinlich komplexer als die eine oder andere Theorie es vermuten lässt. Es ist gut möglich, dass in der Zukunft eine Koexistenz verschiedener Geldformen bestehen bleibt: staatliche Währungen für den täglichen Zahlungsverkehr, Bitcoin als „hartes“ Geld für die langfristige Wertaufbewahrung oder gar als internationale Recheneinheit. Ob Bitcoin jedoch tatsächlich die Rolle einer universellen Währung einnehmen kann, hängt von vielen Faktoren ab und „Greshams Law“ alleine wird nicht ausreichen, um gegen eine Geldwerdung des BTC zu argumentieren.

René

Über den Autor: René

René ist der Chefredakteur bei Blocktrainer.de und Mitarbeiter der ersten Stunde. In den vielen Jahren, in denen er im Bitcoin-Kosmos unterwegs ist, hat er sich ein breit gefächertes Know-how in sämtlichen Bereichen rund um die bedeutendste Kryptowährung angeeignet.

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