Der soziale Nutzen von Bitcoin als Wertspeicher und Zahlungsmittel für finanziell unterdrückte respektive ausgeschlossene Menschengruppen wird wohl von den meisten finanziell privilegierten Menschen in den westlichen Industriestaaten unterschätzt, belächelt oder gar nicht wahrgenommen. In einigen Regionen in Afrika, Mittelamerika und im Nahen Osten ist Bitcoin schon fester Bestandteil im Leben von Menschen. Viele von ihnen konnten mit Bitcoin ihren Lebensstandard bereits deutlich verbessern.

Wichtige Aufklärungsarbeit in diesem Bereich leistet unter anderem der Menschenrechtsaktivist Alex Gladstein mit seinen Aufsätzen und Büchern. Der englischsprachige Bitcoin-Bildungskanal Get Based setzt diese Aufklärungsarbeit mit Dokumentarfilmen fort. Nun wurde auf dem Kanal eine neue Doku veröffentlicht, die die Bitcoin-Nutzung in Peru thematisiert.

Get Based

Get Based (@getbasedtv) ist ein unter anderem von Julian Figueroa gegründetes kanadisches Unternehmen, das multimedialen Content über Bitcoin, Finanzen und individuelle Freiheit produziert. Vor einigen Monaten veröffentlichte der Bildungskanal bereits eine kurze Dokumentation über eine Bitcoin-Gemeinschaft in Costa Rica, in der es um die Geschichte von verschiedenen Menschen geht, die nach Costa Rica ausgewandert sind und dort – als Gegenkonzept zu den westlichen Konsumgesellschaften – eine Kreislaufwirtschaft mit Bitcoin errichtet haben (Bitcoin Jungle).

Am 15. Mai erschien nun eine neue, knapp 40-minütige Dokumentation über die Bitcoin-Nutzung in Peru. 143 Bitcoiner und einige Sponsoren – Beaver, BitcoinTradingCards, Kado und BB – stellten finanzielle Mittel zur Umsetzung bereit. Wer die Bitcoin-Bildung von Get Based ebenfalls unterstützen möchte, kann dem Projekt eine Spende zukommen lassen oder den Social-Media-Kanälen folgen.

Bitcoin in Peru

In der informativen und kurzweiligen Doku mit dem Titel „Peru´s Hidden Bitcoin Revolution“ reisen Isabella Santos, Julian Figueroa und Adam O’Brien in abgelegene Regionen in Peru, wo die Menschen von der Regierung vernachlässigt wurden und wenig bis keinen Zugang zu Banken, Kreditkarten oder Bargeld haben. In der Stadt Cusco treffen sie Vali Popescu, einen Mitbegründer der Non-Profit-Organisation Motiv, um mit ihm die von seiner Organisation unterstützten Regionen zu besuchen.

NGO Motiv

Motiv (@motivngoglobal) wurde von Rich Swisher und Vali Popescu in Peru gegründet. Die Organisation hilft bedürftigen und vernachlässigten Menschen in abgelegenen Regionen, indem sie unter anderem Schulen und Kreislaufwirtschaften errichtet und die Menschen bei verschiedenen Geschäftsmodellen unterstützt. Bitcoin spielt dabei eine große Rolle. In Peru hat Motiv bereits den Aufbau von 16 Kreislaufwirtschaften initiiert und unterstützt.

So wie ein Samen gepflegt und gehegt werden muss, damit aus ihm eine gesunde Pflanze wird, braucht es auch Zeit, die Menschen vom Nutzen von Bitcoin zu überzeugen. Aus diesem Grund investiert Motiv die meiste Zeit in die Suche nach und Ausbildung von Gemeindevorsitzenden, die den Menschen die Hilfe geben sollen, die sie von der Regierung nicht bekommen. Die Menschen in den abgelegenen Regionen sind nicht nur oft von dem Finanzsystem ausgeschlossen, sie sprechen aufgrund ihrer Kechua-Abstammung oft auch kein Spanisch, können nicht lesen, haben kein Smartphone und sind stark an traditionelle Denkweisen gewöhnt.

Deshalb muss der Vorsitzende viel Zeit investieren, um den Menschen die Vorteile von Bitcoin und damit eine vielversprechende Alternative zu ihren jetzigen Lebensumständen verständlich zu machen. Dazu gehört auch, eigene kulturelle Vorstellungen infrage zu stellen und zu überwinden – z. B. die traditionelle Rolle der Frau, die nicht aus dem Verdienen von Geld, sondern nur aus Kochen, Waschen, der Zuständigkeit für die Kinder und dem Warten auf den Ehemann besteht, der einen Teil des verdienten Geldes oft für Alkohol ausgibt.

Um die Kreislaufwirtschaft und damit letztlich auch die Gemeinschaft voranzubringen, schlägt der Vorsitzende verschiedene, auf die Region angepasste Geschäftsmodelle vor, wie Nachhilfe oder Kochen für Kinder, Trinkwasseraufbereitung und -lieferung, Herstellung von Kunst oder Produkten, wie Kleidung oder Lebensmittel, oder Lehrangebote wie Sprachkurse. Dabei besorgt Motiv mithilfe von Spenden auch die notwendige Technologie, wie zum Beispiel Trinkwasseraufbereitungsanlagen, Nähmaschinen oder hydroponische Systeme für den Anbau von Nutzpflanzen. Um weitere Projekte realisieren zu können, ist Motiv auch auf Spenden angewiesen. Über den Link oder die QR-Codes könnt ihr Motiv unterstützen.

Als Zahlungsmittel der Kreislaufwirtschaften findet Bitcoin Anwendung und dementsprechend vermittelt Motiv auch den Umgang damit. Somit werden durch die von Motiv ausgebildeten Gemeindevorsitzenden und Bitcoin die Emanzipation und Ermächtigung der Frauen vorangetrieben, wirtschaftliche Anreize und Wohlstand geschaffen und letztlich die Gemeinschaften zum Positiven verändert. Dabei reicht es erfahrungsgemäß oft schon aus, eine oder zwei Familien zu überzeugen, damit sich weitere Familien anschließen und sich die Idee sowie die Bitcoin-Adoption weiter verbreitet.

In der Dokumentation von Get Based werden vier Regionen vorgestellt, in denen Motiv aktiv ist.

Huayllapata und Ohuay

Huayllapata und Ohuay sind zwei kleine, mit Satelliten-Internet ausgestattete Kechua-Gemeinden in der Gebirgslandschaft der Anden. Motiv unterstützt dort zum Beispiel eine Frauengruppe bei der Herstellung und dem Verkauf von Kleidung. Die Frauen verdienen dadurch Bitcoin, die sie dann für Lebensmittel, Medikamente und Schuhe für ihre Kinder ausgeben können. Laut Motiv sei dadurch die Sterblichkeitsrate der Kinder gesunken, was zu Beginn das Hauptziel der Organisation gewesen ist.

Quebrada Verde

Auch in Quebrada Verde hat Motiv die Mentalität der Menschen verändert und den Unternehmergeist geweckt, indem die NGO den Menschen, vor allem den Frauen, die Möglichkeit gezeigt hat, Werte zu schaffen und Geld in Form von Bitcoin zu verdienen. Zum Beispiel hat Motiv eine Frau namens Sandra dabei unterstützt, eine Bäckerei aufzubauen und Waren im damaligen Wert von 12.000 US-Dollar in Bitcoin (was heute 38.000 US-Dollar entspricht) zu verkaufen.

Zudem wurden bezahlte Nachhilfekurse sowie bestimmte Lehrangebote für Kinder geschaffen, in denen der Anbau von regionalen Nutzpflanzen vermittelt wird. Dabei ist Bitcoin der Katalysator, der das alles ermöglicht – zum einen zur Finanzierung der Agrartechnologie, zum anderen als Zahlungsmittel für die Produkte und Dienstleistungen.

Juan Guerra

Juan Guerra ist eine abgelegene, flache Region in der Nähe der Stadt Tarapoto im Amazonas-Dschungel im Nordosten von Peru. In der Region werden verschiedene Lebensmittel angebaut, die letztlich nach Tarapoto verkauft werden. Doch die Regierung vernachlässigt diese Region und unterstützt eher andere, größere Projekte, sodass zum Beispiel die Trinkwasserversorgung in Juan Guerra extrem schlecht ist.

Wo die Regierung versagt, helfen Motiv und Bitcoin weiter. Motiv hat dort eine Wasseraufbearbeitungsanlage sowie eine dazu passende Kreislaufwirtschaft errichtet.

Das Wasser wird aus einem Fluss gewonnen und genießbar gemacht und an die Haushalte ausgeliefert, die für ihr Wasser mit Bitcoin bezahlen – ohne Banken, ohne die Notwendigkeit, das Geld in der nächsten Stadt umtauschen zu müssen, und ohne komplizierte Zahlungsverfahren, sondern einfach und schnell mit dem Smartphone. Es ist eine Win-Win-Situation, geschaffen mithilfe von Bitcoin.

Mit Bitcoin kann man auch im Lebensmittelladen oder für die verschiedenen Lehrangebote in den Schulen bezahlen. Dabei können die Familien, die bisher keine Zahlungsmöglichkeit hatten, auch integriert werden, sodass die Kreislaufwirtschaft immer weiter wächst und die Gemeinschaft sich weiter zum Positiven verändert. Dies kann auch ein Vorbild für andere Regionen sein.

Barrio Florido und Iquitos

Die letzte in der Doku vorgestellte Gemeinde ist Barrio Florido, ein Bezirk der Stadt Iquitos – eine der größten Städte der Welt, die nicht über Straßen, sondern nur per Flugzeug oder Boot erreichbar ist. In Barrio Florido gibt es keine Geldautomaten und Banken. Es wird alles Peer-to-Peer abgewickelt, wobei auch Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptiert wird. So kann man dort zum Beispiel den Eintritt in das Naturreservat „Fundo Pedrito“ sowie Englisch-Sprachkurse in der Schule mit Bitcoin bezahlen.

Das bevorzugte Zahlungsmittel ist nicht Gold oder die Landeswährung – der peruanische Sol (PEN) –, sondern Bitcoin. Somit bietet Bitcoin auch den Menschen in dieser Region Hoffnung, den negativen Kreislauf aus kulturellen Missständen, Armut, Bildungs- und Trinkwassermangel, Kinderarbeit, Korruption der Politik, schrecklichen Verbrechen, Selbstmorden und Alkoholsucht zu überwinden. Bitcoin gibt den Menschen die Möglichkeit zur Eigenverantwortung und zur Unabhängigkeit von der Regierung oder einem Unternehmen. Für die Menschen bedeutet Bitcoin ein Stück Freiheit.

Und der Bedarf nach Hoffnung und Freiheit scheint groß zu sein. Während der Weihnachtszeit im Jahr 2023 hat Motiv zu einer Veranstaltung in einem Stadion in Iquitos eingeladen, wo die NGO Interessierten bei der Installation der Blink-Wallet geholfen hat. Mit der großzügigen Unterstützung der NOSTR-Community ist daraus der erste „real-life-Zapathon“ geworden. Dabei haben sich 230 Menschen die Blink-App installiert, deren Wallets mit mehr als 500 Transaktionen aus der ganzen Welt im Wert von mehr als 2,3 Millionen Sats aufgeladen wurden. 

Fazit

Die Dokumentation von Get Based zeigt das Engagement der Organisation Motiv, die Lebenssituation von Menschen in Peru mithilfe von Bitcoin und dessen monetären Eigenschaften zu verbessern. Auf der Suche nach Hoffnung haben die Menschen sie dank Motiv in Bitcoin gefunden. Bitcoin ist für sie das Mittel zur wirtschaftlichen Ermächtigung und Teilhabe.

Obwohl die Gemeinden so weit abgelegen sind und die Menschen nicht so gebildet erscheinen wie Menschen in Großstädten oder Industrienationen, sind sie die Ersten, die den Bitcoin-Standard leben, so wie sich viele Bitcoin-Enthusiasten die Zukunft vorstellen. Für die Gemeinden ist der Umgang mit Bitcoin so normal wie für andere die Verwendung von Geldscheinen oder dem Internet.

Für die Macher der Doku ist klar, dass Bitcoin den meisten Nutzen gerade für die Menschen bietet, die in Armut leben, von der Regierung vernachlässigt wurden und keinen Zugang zu gewöhnlichen Finanzstrukturen haben – nicht für irgendwelche Milliardäre in den Industrienationen. Es sind nicht die Michael Saylors dieser Welt oder die Bitcoin-Spot-ETFs, die den Wert von Bitcoin als Spartechnologie und Geld vermitteln, sondern diese Gemeinden irgendwo im Nirgendwo, die mit Bitcoin eine positive Veränderung in ihrer Gesellschaft bewirken. Die Arbeit von Motiv ist dabei von gewaltiger Bedeutung.

Über den Autor: Stefan

Stefan ist studierter Medienwissenschaftler und Sinologe sowie selbstständig im künstlerisch-publizistischen Bereich. Neben den monetären Eigenschaften interessiert er sich vor allem für die sozialen und ökologischen Aspekte von Bitcoin und dem Bitcoin-Mining.

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