Mitte September äußerte sich die amtierende Vizepräsidentin der USA erstmals zum Thema Kryptowährungen als sie betonte, dass sie in diesem Zusammenhang sowohl Verbraucher als auch Investoren schützen wolle. Nun, nur wenige Wochen vor den Wahlen in den USA, hat sie erneut für Aufsehen in der Kryptowelt gesorgt, da sie zwar erneut Stellung bezog, konkrete Punkte und Vorhaben aber weiterhin unklar sind.

In einer von ihrem Wahlkampfbüro veröffentlichten “Agenda zu den Chancen für Schwarze Männer" betont Harris, dass sie sich für einen regulatorischen Rahmen einsetzen will, der insbesondere benachteiligte Bevölkerungsgruppen, wie schwarze Amerikaner, schützt und ihnen Zugang zu Finanzinnovationen ermöglicht.

Diese richtungsweisende Agenda umfasst [die] Unterstützung eines Rechtsrahmens für Kryptowährungen und andere digitale Vermögenswerte, damit Schwarze Männer, die in diese Vermögenswerte investieren und sie besitzen, geschützt sind. […] Vizepräsidentin Harris weiß zu schätzen, wie neue Technologien den Zugang zu Bank- und Finanzdienstleistungen erweitern können. Sie wird dafür sorgen, dass Besitzer und Investoren von digitalen Vermögenswerten von einem regulatorischen Rahmen profitieren, der schwarze Männer und andere, die an diesem Markt teilnehmen, schützt.
Zitat aus der “Opportunity Agenda for Black Men”

Politisches Kalkül oder echte Unterstützung?

Die Positionierung der Vizepräsidentin hat gemischte Reaktionen hervorgerufen. Einerseits begrüßen Befürworter die Tatsache, dass sich Kamala Harris endlich zur Thematik äußert und diese als Teil ihrer politischen Agenda aufnimmt. Auf der anderen Seite herrscht Skepsis über den tatsächlichen Inhalt und die Tragweite ihrer Pläne. Matt Hougan, der CIO von Bitwise, einem der führenden Krypto-Vermögensverwalter, war einer der ersten, der sich kritisch zu Harris' Aussagen äußerte. 

In einem Tweet bezeichnete er ihre Position als „Rorschach-Test“, bei dem die Interpretation der Aussagen weit auseinandergehen kann. „Diese Worte sind ein Rorschach-Test, keine Position – man kann sie sowohl als aggressiv pro-Krypto als auch als anti-Krypto lesen“, schrieb Hougan. Seiner Ansicht nach ist unklar, ob Harris eine konkrete Strategie verfolgt oder ob sie lediglich versucht, beide Seiten der Debatte zu besänftigen.

Eine ernst gemeinte Frage: Ist diese Aussage das Ergebnis des „Harris-Pivot“, über den sich die Leute aufregen? Oder hat sie in der Live-Veranstaltung mehr gesagt?

Diese Worte sind ein Rorschach-Test, keine Stellungnahme - man kann sie als offensiv pro Krypto oder anti Krypto lesen.
Matt Hougan, CIO Bitwise

Hougan hinterfragte auch, ob dies die gesamte Grundlage des sogenannten „Harris-Pivot“ sei – also einer erwarteten Wende in ihrer Krypto-Politik, die von einigen Marktbeobachtern lange herbeigesehnt wurde. Aus seiner Sicht mangelt es den Äußerungen an Tiefe und Klarheit. Er weist darauf hin, dass Harris weder konkrete Vorschläge zur Verbesserung des regulatorischen Rahmens gemacht noch ihre Haltung zu umstrittenen Themen wie dem Vorgehen der SEC unter Gary Gensler offengelegt hat.

Auch James Seyffart, ein bekannter Analyst bei Bloomberg, zeigte sich wenig überzeugt von Harris' Aussagen. In einem kurzen, aber prägnanten Tweet kommentierte er: „Es ist wirklich eine seltsame Aussage.“ Seine Einschätzung trifft den Nagel - salopp gesagt - ziemlich auf den Kopf und spiegelt die Verwirrung vieler Marktbeobachter wider, die sich fragen, ob Harris tatsächlich eine substantielle politische Wende eingeleitet hat oder ob es sich eher um vage Wahlkampf-Rhetorik handelt, um Stimmen aus der Krypto-Community zu gewinnen.

Zwischen Symbolik und Substanz

Die Zweideutigkeit ihrer Aussagen entsteht vor allem durch den Fokus, den Harris auf die Regulierung legt. Einerseits spricht sie davon, neue Technologien und Kryptowährungen zugänglicher zu machen, insbesondere für marginalisierte Gruppen wie schwarze Amerikaner. Wohlwollend könnte man dies als "Pro-Krypto-Position" interpretieren, denn es scheint so, als würde die Vizepräsidentin immerhin die Vorteile von Bitcoin & Co. für finanziell benachteiligte Bevölkerungsgruppen verstehen und deren Rolle im Rahmen der “Finanziellen Inklusion” anerkennen und unterstützen.

Auf der anderen Seite erwähnt Harris auch die Notwendigkeit eines regulatorischen Rahmens, der sicherstellen soll, dass Investoren (hier:  “schwarze Amerikaner”) geschützt werden. Dieser Aspekt kann wiederum kritisch gesehen werden, da zu befürchten ist, dass eine strenge Regulierung den Innovationsgeist der Branche direkt ersticken könnte. Vor allem, wenn man die bisherige Haltung der US-Regierung, zu der Harris gehört, und die der Regulierungsbehörden berücksichtigt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Aussagen von Kamala Harris einerseits als Zeichen gewertet werden können, dass Kryptowährungen weiter in den Fokus der politischen Agenda rücken. Andererseits bleibt fraglich, ob ihre Position tatsächlich eine umfassende Unterstützung für die Kryptoindustrie darstellt oder ob sie primär auf eine stärkere Regulierung abzielt, die potenziell Innovationen hemmen könnte. Auch ist fraglich, inwiefern sie den Unterschied zwischen Bitcoin als dezentralem Netzwerk und dem Gros der zigtausenden zentralisierten Altcoins erkennt. Für viele in der Bitcoin- und Krypto-Community bleibt damit weiterhin offen, in welche Richtung Harris in der Kryptopolitik steuern wird. Eine konkrete Äußerung mit klaren Positionen steht somit weiterhin aus. 

René

Über den Autor: René

René ist der Chefredakteur bei Blocktrainer.de und Mitarbeiter der ersten Stunde. In den vielen Jahren, in denen er im Bitcoin-Kosmos unterwegs ist, hat er sich ein breit gefächertes Know-how in sämtlichen Bereichen rund um die bedeutendste Kryptowährung angeeignet.

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