Laut lokalen Medienberichten will die Regierung von Venezuela die Miner von Bitcoin und anderen Kryptowährungen aus dem nationalen Stromnetz ausschließen, weil es angeblich durch den hohen Stromverbrauch oft zu Stromausfällen gekommen sein soll und nun eine stabile Stromversorgung für die Bevölkerung geplant ist.

Das venezolanische Energieministerium hat diesen Plan auch auf den Social-Media-Kanälen bekannt gemacht.

Kurz vor der Veröffentlichung dieser Pläne hat die Regierung in Maracay im Bundesstaat Aragua, etwa 120 Kilometer südwestlich von Caracas, mehrere Tausend Mining-Geräte beschlagnahmt – angeblich im Rahmen einer Antikorruptionskampagne. Während die meisten Medien von 2000 beschlagnahmten ASIC-Minern berichten, findet man vereinzelt auch weitaus höhere Zahlen.

Was steckt wirklich dahinter?

Zahlreiche 𝕏-Nutzer haben das Vorgehen der venezolanischen Regierung und die dazugehörige Berichterstattung stark kritisiert. Viele Beobachter und Bitcoin-Enthusiasten sind der Meinung, dass die Stromausfälle nicht mit den Mining-Unternehmen in Verbindung stehen, sondern vielmehr auf falsche Entscheidungen der Regierung, Korruption sowie der lang anhaltenden Wirtschafts- und Versorgungskrise im Land zurückzuführen sind.

Inflation, Sozialismus, Sanktionen, Ölkrise und Korruption

Das Leben der Menschen in Venezuela ist durch eine langanhaltende, schwere Krise geprägt. Das Land kämpft schon seit mehreren Jahrzehnten mit einer extrem instabilen Währung. Seit den 1980er Jahren ist die Inflation des venezolanischen Bolívars mindestens im zweistelligen Bereich. Mit dem Start des sozialistisch ausgerichteten Präsidialsystems unter Hugo Chávez und den damit verbundenen zentralistischen Entscheidungen über alle Bereiche des Lebens verschlimmerte sich die Lebenssituation der meisten Menschen kontinuierlich. Vor allem die Wirtschaft wurde ohne Kenntnisse mit Dekreten des Präsidenten gesteuert und dadurch ruiniert. Zahlreiche schwerwiegende Korruptionsfälle sowie mangelnde Wartung und Investitionen in das staatliche Stromnetz haben das Land seit 2009 auch in eine Stromkrise geführt. Dadurch soll es vor allem in den letzten fünf Jahren zu massiven Stromausfällen gekommen sein, die das Leben der Menschen und die Wirtschaftstätigkeiten stark beeinflusst haben.

Seit 2015 haben die US-Regierung und der EU außerdem Sanktionen gegen Venezuela verhängt, um finanzielle Mittel zu entziehen und einen Regimewechsel zu erzwingen. Dadurch hat sich der Verkauf von venezolanischen Staatsanleihen sowie der Export von Öl und Gold extrem erschwert.

In den 2010er Jahren kollabierte zudem noch der Ölpreis, was die Situation für Venezuela – dem Land, das mit den weltweit größten Ölreserven wirtschaftlich fast vollständig vom Ölexport abhängig ist – zusätzlich verschlimmerte. Der neue Präsident Nicolás Maduro, der seit 2014 das Land regiert, konnte die Wirtschaftskrise auch nicht überwinden. Die Folgen waren ein vollkommener wirtschaftlicher Zusammenbruch, Hyperinflation, Versorgungsengpässe, Hungersnöte, extreme Armut und Massenemigration. Im Jahr 2018 erreichte die Armutsquote circa 90 Prozent und die Inflation betrug zeitweise 80.000 Prozent. Der Wert des venezolanischen Bolívars war im freien Fall.

Es gab sogar Versuche, die Inflation mit einer eigenen staatlichen Kryptowährung, dem Petro, zu bekämpfen. Der Petro war angeblich mit jeweils einem Barrel der Ölreserven gedeckt, konnte jedoch nicht wirklich derartig eingelöst werden. Die reguläre Währung wurde per Dekret zu einem festgelegten Wechselkurs an den Petro gebunden. Zusätzlich hat die Regierung auch teilweise Zahlungen in US-Dollar zugelassen, womit sie auch das Militär und dessen Loyalität bezahlte.
 
Um die Staatswährung zu meiden, hat sich im Alltag neben dem US-Dollar auch zunehmend die Verwendung von Kryptowährungen durchgesetzt. Im Jahr 2020 war Venezuela auf Platz 3 der Länder mit der größten Nutzung von Kryptowährungen. Es wird vermutet, dass die Regierung mit dem Petro Sanktionen umgehen, andere Kryptowährungen verdrängen oder das Vertrauen der Bevölkerung in diese digitalen Währungen zerstören wollte.

Die Inflation des Bolívar hat sich im Jahr 2022 zwar wieder in einem dreistelligen Betrag eingependelt (2023 bei 337,5 Prozent), doch ein großer Korruptionsskandal um den staatlichen Ölkonzern Petróleos de Venezuela (PDVSA), der nationalen Aufsichtsbehörde für Krypto-Vermögenswerte (Sunacrip) und anderen staatlichen Institutionen im Jahr 2023, bei dem auch El Aissami, eine der mächtigsten Personen des Landes, involviert war, führte letztlich zur Einstellung des Petros im Januar 2024.

Derartige Korruptionsfälle sind für viele Beobachter auch der Grund für die zahlreichen Stromausfälle und die notwendigen Stromrationierungen, für die aktuell die Bitcoin-Miner verantwortlich gemacht werden. Doch es ist auch nicht das erste Mal, dass die venezolanische Regierung die Bitcoin-Miner ins Visier nimmt.

Venezuelas Umgang mit Bitcoin-Minern

Bereits im Jahr 2020 hat die Regierung unter Maduro probiert, die im Land ansässigen Miner von Kryptowährungen zu vereinnahmen. Zu dieser Zeit war Venezuela auf Platz 9 der Länder mit der meisten Bitcoin-Hashrate. Genauso wie die Wirtschaft durch zentralisierte Entscheidungen bestimmt wurde, sollten auch die Bitcoin-Miner zentralisiert werden. Am 22. September 2020 hat die Aufsichtsbehörde für Krypto-Vermögenswerte ein Dekret verabschiedet, das die Miner dazu verpflichtete, sich einem nationalen Mining-Pool anzuschließen, wobei die Behörde die Miner überwachte und lizenzierte sowie die verdienten Anteile besteuerte und verteilte.

Im Jahr 2021 hat die Regierung das Mining zwischenzeitig verboten. Viele 𝕏-Nutzer bemerkten, dass die Regierung dabei auch zahlreiche Mining-Geräte beschlagnahmt hat, mit denen sie dann selbst Mining betrieb, um Bitcoin zu erhalten.

Wie der Umweltaktivist Daniel Batten vermutet, ist der aktuelle Fall letztlich ein weiteres Beispiel von Irreführung, bei der die Journalisten als Sprachrohr für die Staatspropaganda fungierten. Die Stromausfälle seien einzig auf Korruption zurückzuführen und es gehe allein darum, sicherzustellen, dass die Macht und die Möglichkeit, die Versorgung und die Preise für Elektrizität zu kontrollieren, in den Händen der Mafia bleiben.

Bitcoin als Chance

Venezuela könnte viele soziale und ökologische Probleme mithilfe von Bitcoin und dessen monetären Eigenschaften in den Griff bekommen. Bitcoin kann als Spartechnologie und Absicherung gegen die Inflation dienen, beim Ausbau und der Stabilisierung der Stromnetze helfen oder gestrandete Energiequellen – wie das Methangas auf den Ölfeldern – monetarisieren und gleichzeitig Emissionen reduzieren. Dazu muss sich die Regierung aber auch von der zentralen Entscheidungsgewalt verabschieden, denn Bitcoin kann nicht kontrolliert werden. Doch da liegt wohl das größte Problem: Solange ein diktatorisches Regime an der Macht ist, das über alles bestimmen will, wird es vermutlich auch weiterhin Bitcoin oder andere freiheitsfördernde Aspekte bekämpfen.

Bitcoin verträgt sich nicht gut mit Diktatoren, die versuchen, jeden Aspekt ihrer Bevölkerung zu kontrollieren.

Es umgeht auch Despoten, die versuchen, billige Energie zu subventionieren, um einem Sturz zu entgehen.

Nehmen wir an, man würde versuchen, den Strom zu subventionieren, um die Bevölkerung zu besänftigen.

Die Bevölkerung wird unermüdlich Bitcoins schürfen und dabei große Risiken eingehen, bis die Strompreise so weit steigen, dass es keinen Sinn mehr macht.

Das Freiheitsvirus ist hartnäckig und taucht überall auf.

Alex Gladstein

Fazit

Am Beispiel von Venezuela kann man gut nachvollziehen, wie ein Land durch eine instabile Währung, Inflation, einer diktatorischen Regierung, Korruption und Sanktionen zugrunde gehen kann.

Gleichzeitig vermittelt der Umgang der venezolanischen Regierung mit den Bitcoin-Minern, dass kostengünstige Energiequellen nicht der alleinige Grund für Bitcoin-Mining-Unternehmen sein sollten, sich für einen bestimmten Betriebsstandort zu entscheiden. Die politische Stabilität, die lokale Korruption, die regulatorischen Anforderungen und die Eigentumsrechte sollten ebenso berücksichtigt werden.

Dass die Bitcoin-Miner für Probleme verantwortlich gemacht und dafür mehr oder weniger aus dem Land verbannt werden, hat letztlich auf das Bitcoin-Netzwerk nur wenig Auswirkungen. Doch für das Land wird dadurch eine Tür zur finanziellen, sozialen und ökonomischen Stabilisierung verschlossen, was letztlich auch die Freiheit der venezolanischen Bevölkerung beeinflusst.
Mit einer besseren Währung würden womöglich auch andere Probleme des Landes beseitigt werden können.

Fix the money, fix the world!