Nach der Verhaftung der beiden Gründer der auf Privatsphäre fokussierten Samourai Wallet und dem Rückzug der Phoenix Wallet aus den USA erreichte die Bitcoin-Community gestern die nächste Hiobsbotschaft: zkSNACKs, die Entwickler hinter der Wasabi Wallet, haben angekündigt, ihren CoinJoin-Koordinierungsdienst ab dem 1. Juni 2024 einzustellen. Obwohl Wasabi Wallet weiterhin als Standard-Bitcoin-Wallet funktionieren wird, wirft diese Entscheidung einen weiteren Schatten auf die Situation rund um Privacy-Dienste, die sich unter zunehmenden regulatorischen Druck befinden.

Regulatorische Unsicherheit

In den vergangenen Jahren und insbesondere in den letzten Wochen und Monaten sind Bitcoin- und Krypto-Privacy-Dienste vermehrt ins Visier der Behörden geraten. Die Verhaftung der Samourai Wallet-Gründer und die Einschränkungen für die Phoenix Wallet in den USA sind nur einige der jüngsten Beispiele, die verdeutlichen, wie stark der Druck auf Entwickler solcher Dienste gewachsen ist. Als Grund für die Entscheidung gab das Team an, zunächst regulatorische Klarheit haben zu wollen, um weiter operieren zu können.

Diese Entscheidung wurde nach reiflicher Überlegung und schweren Herzens getroffen. Im Laufe unserer Geschichte haben wir uns immer bemüht, in rechtlicher Klarheit zu handeln. An diesem Punkt müssen wir erst wieder mehr Gewissheit erlangen, bevor wir weitermachen.
zkSNACKs / Wasabi Wallet

Auch andere Services betroffen

Die Abschaltung des CoinJoin-Dienstes wird auch Nutzer anderer Wallet-Clients, die sich mit dem zkSNACKs-Koordinator verbinden, wie Trezor Suite und BTCPayServer, beeinträchtigen. In einem Blogbeitrag betonte zkSNACKs die Geschichte und Errungenschaften der Wasabi Wallet seit ihrer Einführung im Jahr 2018: „Als Wasabi Wallet gestartet wurde, war Privatsphäre in Bitcoin nur eine Idee, ein Traum von Cypherpunks. Nach Jahren der Forschung, des Versuchs und Irrtums haben wir bewiesen, dass Bitcoin als anonymes Geld in vollständig souveräner Weise verwendet werden kann. Coinjoins ermöglichen einen friedlichen, sicheren und effektiven Weg zur Wahrung unserer finanziellen Privatsphäre. Das ist uns gelungen.“

Wasabi Wallet bleibt bestehen

Wie bereits eingangs kurz erwähnt, wird die Wasabi Wallet weiterhin als reguläre Bitcoin-Wallet funktionieren, mit der die Nutzer private Schlüssel generieren können, um Bitcoin zu empfangen und zu senden. "Auch ohne CoinJoins wird Wasabi durch seine clientseitige Filterarchitektur, Tor-Integration und benutzerdefinierte Coin Selection das privateste Light-Wallet sein", erklärte das Team um CEO Max Hillebrand. Das Unternehmen hat sich im entsprechenden Beitrag auch verpflichtet, die kontinuierliche Wartung der grundlegenden Funktionen der Wasabi Wallet weiterhin zu finanzieren.

Der Tag wird kommen, an dem jemand den Code schreibt, um alle Eigenschaften guten Geldes zu perfektionieren. Bis dahin sollten wir dankbar sein für das, was wir gemeinsam erreicht haben, und uns der vor uns liegenden Herausforderungen bewusst sein.
zkSNACKs / Wasabi Wallet

Die letzte Warnung

Die Debatte darum, ob Bitcoin mehr Privatsphäre-Eigenschaften direkt auf dem Mainlayer benötigt, ist quasi so alt wie Bitcoin selbst. Rund um die jüngsten Geschehnisse und die Meldung von zkSNACKs meldete sich auch der bekannte Whistleblower Edward Snowden zu Wort.

Bei 𝕏 kritisiert Snowden, dass die Bitcoin-Entwickler seit zehn Jahren von ihm darauf hingewiesen werden, dass Datenschutz schon auf Protokollebene bereitgestellt werden muss. „Dies ist die letzte Warnung. Die Uhr tickt“, schreibt er und hebt damit hervor, dass echte Privatsphäre nicht allein durch Drittanbieterlösungen gewährleistet werden sollte, sondern direkt in das Bitcoin-Protokoll integriert werden müsste.

 

Bereits im Bitcoin-Whitepaper erörterte Satsohi Nakamoto die Herausforderungen und Möglichkeiten, die sich aus dem Bedürfnis nach Privatsphäre in einem öffentlich einsehbaren Transaktionssystem ergeben. Er erklärte, dass das traditionelle Bankmodell ein gewisses Maß an Privatsphäre bietet, indem es den Zugang zu Informationen auf die beteiligten Parteien und die vertrauenswürdige dritte Partei beschränkt. Da jedoch alle Transaktionen im Bitcoin-System öffentlich bekannt gemacht werden müssen, schlug Satoshi vor, die Privatsphäre auf andere Weise zu schützen: indem die öffentlichen Schlüssel anonym gehalten werden. So kann die Öffentlichkeit sehen, dass eine Person einen Betrag an eine andere sendet, jedoch ohne Informationen, die die Transaktion mit einer bestimmten Person verbinden.

Natürlich ist das von Satoshi erwähnte “anonym halten von öffentlichen Schlüsseln” in Zeiten von regulatorischen Verpflichtungen und “Know-Your-Customer”-Verfahren schwieriger umzusetzen denn je.  Die Anforderungen, die im Zuge der globalen Finanzregulierung immer stärker in den Vordergrund treten, stellen eine direkte Herausforderung für die Grundprinzipien dar, auf denen Bitcoin ursprünglich aufgebaut wurde.

Die Diskussion über die Integration von Datenschutzfunktionen auf der Protokollebene von Bitcoin ist nicht nur eine technische, sondern auch eine strategische Frage. Die schrittweise Einführung von Bitcoin, zunächst als transparentes, öffentlich nachvollziehbares System, könnte tatsächlich eine breitere Akzeptanz und Integration in bestehende Finanzsysteme ermöglichen. Hätte Bitcoin von Anfang an ein hohes Maß an Privatsphäre geboten, wäre es möglicherweise auf erheblichen Widerstand von staatlichen Regulierungsbehörden gestoßen und es hätte deutlich mehr Gegenwind gegeben.

Zwei Seiten der Debatte

Die schrittweise Annäherung, bei der Bitcoin zunächst ohne sehr starke Datenschutzmaßnahmen etabliert und dann allmählich mit mehr Privatsphäre ausgestattet wird, könnte Bitcoin die notwendige Zeit verschaffen, um Akzeptanz und Vertrauen aufzubauen, bevor es versucht, tiefgehendere Datenschutztechnologien zu implementieren, die es den Benutzern ermöglichen, ihre finanzielle Autonomie und Anonymität zu wahren. Oft wird von Befürwortern dieses Ansatzes der Vergleich mit dem "Trojanischen Pferd" gemacht. Auf der anderen Seite argumentieren Datenschutzbefürworter wie Edward Snowden, dass echte finanzielle Privatsphäre nicht nachträglich eingeführt werden sollte, sondern eine Grundvoraussetzung sein muss. Beide Seiten der Debatte haben überzeugende Argumente. Auf der einen Seite steht das Argument der schrittweisen Einführung, das regulatorische Hürden minimiert und die globale Adoption erleichtert. Auf der anderen Seite steht das Prinzip, dass Privatsphäre nicht verhandelbar ist und von Anfang an in die technische Infrastruktur integriert werden sollte. Letztlich gibt es in dieser Debatte kein klares Richtig oder Falsch. Die Wahl zwischen Transparenz und Privatsphäre spiegelt insgesamt eine tiefere Auseinandersetzung mit den Werten wider, die wir als Gesellschaft schützen wollen. Wie Bitcoin und andere Kryptowährungen sich weiterentwickeln, wird nicht nur von technischen Möglichkeiten bestimmt werden, sondern auch von rechtlichen und gesellschaftlichen Überlegungen.