Der US-Dollar verliert weiter an Rückhalt, Schwellenländer wenden sich zunehmend von der Weltwährung ab und das erkennt mittlerweile auch die US-Zentralbank an. Währenddessen wächst global das Interesse an Bitcoin. Doch ist Bitcoin wirklich nur ein Konkurrent des US-Dollar oder ist Satoshi Nakamotos Kreation viel größer als das?

Schwellenländer trennen sich von US-Staatsanleihen

Seit der Weltfinanzkrise 2008 hat ein neuer Trend eingesetzt – und zwar stoßen einige Schwellenländer zunehmend ihre US-Dollar-Reserven in Form von US-Staatsanleihen ab. Im Jahr 2008 waren noch 40 Prozent der US-Staatsanleihen im Besitz ausländischer Zentralbanken, vor der Pandemie nur noch 25 Prozent. Im Rahmen der Sanktionen der USA gegen Russland und der Gelddruckorgien in Reaktion auf die Corona-Lockdowns verschärfte sich der Abwärtstrend, sodass zu Beginn dieses Jahres nur noch rund 14 Prozent der Schuldverschreibungen der Weltmacht von Zentralbanken anderer Länder gehalten wurden.

An vorderster Front hierbei ist China. Während die Volksrepublik US-Staatsanleihen in Rekordtempo verkauft, tritt die Bank of China als großer Käufer vom Edelmetall Gold auf. Laut den renommierten Analysten von Crescat Capital ist dies erst der Anfang einer sich weiter fortsetzenden Entwicklung.

Während die Europäische Zentralbank, die Bank of Japan und andere enge Verbündete der USA immer noch beträchtliche Bestände an Staatsanleihen halten, hat China, das einst der wichtigste Geldgeber der USA war, seinen Schwerpunkt eindeutig auf Gold als wichtigsten Vermögenswert verlagert. Unserer Ansicht nach ist dieser Übergang erst der Anfang.
Crescat Capital

China war einst der größte Halter von US-Staatsanleihen. Heute ist dies Japan, doch das ostasiatische Land sieht sich zunehmend mit einer Abwertung der Landeswährung gegenüber dem US-Dollar konfrontiert, weswegen die Bank of Japan immer häufiger auf den Devisenmärkten interveniert und mit den US-Dollar-Reserven den Yen zurückkauft.

Russland hatte in den Jahren vor Beginn des Ukraine-Kriegs, wie China derzeit, US-Staatsanleihen abgestoßen und Gold gekauft – vermutlich in Antizipation der Sanktionen.

Im Jahr 2022 kamen dann Gerüchte auf, dass die BRICS-Nationen – also Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – eine eigene goldgedeckte Währung für den Handel untereinander einführen. Dies verkündeten hochrangige Führer von Ländern des Zusammenschlusses. 

Im Angesicht der westlichen Sanktionen gegen Russland, im Rahmen derer rund 300 Milliarden US-Dollar an US-Dollar-Reserven eingefroren wurden, scheinen die Schwellenländer sich zunehmend unabhängig aufstellen zu wollen. Generell ist seither auch eine deutliche Zunahme der Goldkäufe von Zentralbanken zu erkennen. Alleine in den vergangenen beiden Jahren kauften Notenbanken über 1.000 Tonnen des Edelmetalls.

Auch wenn die Idee einer goldgedeckten Handelswährung der BRICS-Nationen wohl vorerst verworfen zu sein scheint, bahnt sich ein Paradigmenwechsel im globalen Währungssystem an: In den vergangenen 20 Jahren ist der Anteil des US-Dollars an den globalen Währungsreserven stetig zurückgelaufen – von über 70 auf unter 60 Prozent. Währenddessen ist der Anteil der kleineren Währungen – also alle abgesehen vom US-Dollar, Euro, Yen und britischem Pfund – von nahe null auf 10 Prozent gestiegen. 

Die US-Zentralbank erkennt diese Entwicklung mittlerweile selbst an. Die Federal Reserve Bank von New York hat vor wenigen Tagen einen Artikel veröffentlicht, in dem sie versucht zu beschwichtigen. Unter anderem dadurch, dass die Autoren der New Yorker Fed erklären, dass die zurücklaufende Nachfrage nach US-Dollar nur auf “eine kleine Gruppe von Ländern” zurückzuführen sei.

Diese Aussage sorgte in der Bitcoin-Community für Schmunzeln. Balaji Srinivasan, der ehemalige CTO der großen Krypto-Börse Coinbase, kommentierte den Artikel auf der Plattform 𝕏 damit, dass die Geldhüter China, Indien, Russland und die Türkei als unbedeutend darstellen wollen.

Die Fed gibt nun zu, dass einige Länder auf Gold umsteigen. Sie sagt aber, dass es sich um eine kleine Gruppe handelt.

China: 1,4 Mrd.
Indien: 1.4 Mrd.
Russland: 144 Mio.
Türkei: 85 Mio.

Diese „kleine Gruppe“ repräsentiert 3 Milliarden Menschen. 37,5 % der Welt bewegen sich also weg vom Dollar und hin zu Gold.
Balaji Srinivasan

Bitcoin: Das bessere Reserve-Asset?

Die großen Zentralbanken scheinen Bitcoin derweil noch nicht auf dem Radar zu haben, obwohl es gute Gründe gibt, anstelle des Edelmetalls auf die digitale Alternative zu setzen. Zwar gibt es mit El Salvador und dem Königreich Bhutan bereits Nationen, die für sich selbst Bitcoin akkumulieren, doch auf der weltweiten Bühne spielen diese Länder noch kaum eine Rolle.

Michael Saylor, der Gründer von MicroStrategy, dem ersten börsennotierten Unternehmen, das auf Bitcoin setzt, ist der Meinung, dass Gold im Kontext als Reserve-Asset von Zentralbanken eine reine Zeitverschwendung darstellt und es den Geldhütern wohl eher um die Signalwirkung ihrer Käufe geht. Saylor erklärt in einem aktuellen Interview, dass Gold als Reservewährung schon vor mehr als einem Jahrhundert gescheitert ist.

Vor dem Ersten Weltkrieg brach Gold als Reservewährung zusammen. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs, als all diese Nationen den Krieg erklärten, verließ jede einzelne von ihnen den Goldstandard.
Michael Saylor in einem Interview

Weiter fügt er hinzu, dass es für ein effektives Reserve-Asset unabdingbar ist, dass Transaktion von Entität zu Entität in Echtzeit abgewickelt werden können und Gold in dieser Hinsicht Bitcoin eindeutig unterlegen ist.

Auch die höhere Inflationsrate von Gold führt der MicroStrategy-Gründer als Argument gegen Gold und für Bitcoin an. Mit einer durchschnittlichen Inflationsrate beziehungsweise jährlichen Ausweitung der Menge von 2 Prozent verdoppelt sich der Goldbestand in etwa alle 30 Jahre. Bitcoin hingegen ist auf eine maximale Menge begrenzt, wodurch die Halbwertszeit im Endeffekt unendlich ist und nicht, wie bei dem Edelmetall, bei 30 Jahren liegt, erklärt Saylor.

Bitcoin ist der Fix für Gold. Gold selbst ist nur ein fehlerhaftes Reserve-Asset, weil es zu langsam und zu inflationär ist.
Michael Saylor in einem Interview

Aufgrund der Unabhängigkeit und Zensurresistenz von Bitcoin kam auch ein wissenschaftliches Paper von Matthew Ferranti von der Harvard Universität vor einigen Monaten bereits zu dem Ergebnis, dass es für Zentralbanken durchaus sinnvoll wäre, Bitcoin als Reserve-Asset aufzunehmen – insbesondere wenn sie sich die Länder der Gefahr von Sanktionen gegenübergestellt sehen. Ferranti ist der ökonomische Berater von Ken Rogoff, ehemals Ökonom beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Federal Reserve.

Kann Bitcoin die Währungsprobleme lösen?

Vom Interviewer auf die prekäre Situation Japans angesprochen, macht Michael Saylor deutlich, dass Bitcoin auch für Länder mit kollabierenden Währungen einen Ausweg darstellen kann.

Das erste Land, das Geld druckt, um Bitcoin zu kaufen gewinnt.
Michael Saylor in einem Interview

Japan ist mit einer Staatsverschuldung von rund 260 Prozent das verschuldeteste Land der Welt. Gleichzeitig befindet sich der japanische Yen im freien Fall gegenüber dem US-Dollar, doch die Bank of Japan kann nur schwer die Zinsen anheben und so den Yen abhärten, da dadurch die Staatsschulden nur noch weiter ausufern würden.

Wenn sie smart sind, gegeben sie 20 Milliarden US-Dollar an Yen aus und kaufen für 20 Milliarden US-Dollar Bitcoin. Wenn sie die Pressemitteilung veröffentlichen, verdreifacht sich der Bitcoin-Kurs und sie hätten 60 Milliarden US-Dollar in dem Reserve-Asset, welches 30 Prozent im Jahr an Wert zunimmt.
Michael Saylor in einem Interview

Saylor erkennt jedoch an, dass Japan derzeit wohl eine zu große Volkswirtschaft ist, um diesen mutigen Schritt zu gehen. Für ihn würde es am meisten Sinn für Länder wie die Türkei ergeben, die etwas kleiner sind, aber ebenfalls eine Währung haben, die sie selbst ausgeben.

Mit El Salvador gibt es bereits ein Land, dass aktiv auf Bitcoin setzt, doch da das von Nayib Bukele geführte Land keine eigene Währung hat, ist es laut Saylor in dieser Hinsicht anderen Ländern unterlegen.

El Salvador hat keine eigene Währung. Deswegen sagte ich, das erste Land, das seine eigene Währung drucken kann und Bitcoin kaufen kann, gewinnt. Du musst in der Lage sein, zehn Milliarden US-Dollar von deiner eigenen Währung auszugeben und es gegen zehn Milliarden US-Dollar in Bitcoin einzutauschen und die Bitcoin 30 Prozent jährlich an Wert gewinnen lassen. Und genau das ist, wie eine Reserve-Asset funktionieren sollte, weil jeder dann dort einsteigt.
Michael Saylor in einem Interview

Ist Bitcoin nicht mehr als nur ein Reserve-Asset?

Da Bitcoin auch oft als Kryptowährung bezeichnet wird und für viele eine Alternative zu Euro, US-Dollar und Yen per se darstellt, ergibt sich die Frage, ob Bitcoin nicht selbst einfach das Geld der Welt werden kann und somit verhindert, dass es überhaupt noch staatliche Währungen gibt, die immer wieder in sich zusammenbrechen und damit unendliches Leid in der Bevölkerung verursachen. Ob und wann sich Bitcoin als globales Geld durchsetzen wird, ist eine oft geführte Debatte in der Community.

Michael Saylor sieht es jedoch so, dass Regierungen – insbesondere die starken – immer ihre eigenen Währungen ausgeben werden und diese als gesetzliches Zahlungsmittel deklarieren. Das bedeutet aber nicht, dass Bitcoin kein Geld ist oder sein kann. 

Was ist Geld? Ein klassischer Ökonom sagt, Geld ist ein Tauschmittel, eine Recheneinheit, ein Wertaufbewahrungsmittel – und dann hört er auf zu denken. Also, es stellt sich heraus, dass in Argentinien das Tauschmittel der Peso, die Recheneinheit der US-Dollar, das Wertaufbewahrungsmittel weder noch ist. Keine intelligente Person in den USA denkt, dass der US-Dollar ein Wertaufbewahrungsmittel ist.
Michael Saylor in einem Interview

Laut Saylor werden die Menschen auch in der Zukunft die lokale Währung als Zahlungsmittel, die Weltwährung als Recheneinheit und harte Asset wie Bitcoin als Wertaufbewahrungsmittel verwenden. Bitcoin soll entsprechend eher die Rolle als effektiver Wertespeicher beziehungsweise Reserve-Asset einnehmen – insbesondere auch auf individueller Ebene.

Zu dieser Thematik äußerte sich jüngst auch Chamath Palihapitiya, ein in den USA bekannter Risikokapitalgeber. Palihapitiya prognostiziert ebenfalls, dass Bitcoin neben den lokalen Währungen als Vermögenswert oder auch Geld Anwendung finden wird und er erkennt, dass dies schon zunehmend der Fall ist. 

Es gibt immer mehr Länder, die eine duales Währungssystem einführen werden. Sie werden sich ihre Landeswährung anschauen und sie werden sich Bitcoin anschauen. Und sie werden sagen, dass beide Dinge gebraucht werden. Ersteres, wenn sie täglich Waren und Dienstleistungen kaufen, und Zweiteres, wenn sie einen dauerhaften Vermögenswert kaufen wollen, der einen dauerhaften Wert haben muss, dafür werden sie Bitcoin kaufen. Ich denke, dass das ein sehr starkes Konzept ist. […] Wenn [Bitcoin] so stark an Attraktivität gewinnt, wird es Gold vollständig ersetzen und zu einem harten Asset mit Transaktionsmöglichkeit werden.
Chamath Palihapitiya in einem Podcast

Ist Bitcoin doch nicht das Geld der Welt?

Bei Michael Saylor scheint des Öfteren durch, dass er gar nicht an Bitcoin als das Geld der Welt glaubt. Doch dies könnte auch lediglich aus taktischen Gründen sein. Denn zu Beginn des Interviews erklärt Saylor auch, dass es nicht zielführend ist, Bitcoin eine digitale Währung zu nennen, da dadurch einflussreiche Personen Bitcoin als Gefahr wahrnehmen könnten.

Also wenn du denkst, dass es eine digitale Währung ist […], dann ist die Implikation, dass wir die Währung einer Nation, sei es der US-Dollar, der Euro, der Yen oder der Yuan, mit Bitcoin ersetzen werden. Dann werden jeder Politiker des Establishments, die meisten Banker und die meisten Ökonomen dagegen ankämpfen. Die Politiker werden sich dagegen auflehnen, weil keiner den US-Dollar kollabieren sehen will, da er eine Quelle der US-amerikanischen Stärke ist und den USA wahrscheinlich Billionen US-Dollar jährlich einbringt.
Michael Saylor in einem Interview

Es könnte also eine Strategie sein, Bitcoin nicht als Konkurrenz für die großen Währungen anzupreisen, sondern lediglich als digitaler Wertespeicher, von dem jeder profitiert. Doch wenn sich Bitcoin als Asset etabliert hat, genügend Vertrauen genießt und entsprechend nicht mehr so starken Schwankungen unterlegen ist, dann ist der Weg nicht mehr weit dahin, dass die Menschen einfach direkt auf Bitcoin als Geld wechseln. Bitcoin ist nämlich den traditionellen Währungen in vielerlei Hinsicht überlegen, wie in der Zensurresistenz. Bis es so weit ist, könnte sich auch die Infrastruktur rund um Bitcoin zu dem Punkt entwickelt haben, dass es für alle Menschen einwandfrei funktioniert – etwa über Second-Layer-Technologien wie das Lightning-Netzwerk – Bitcoin selbst für kleinste Zahlungen zu verwenden.

Aktuell machen Währungen auch nur rund 120 Billionen US-Dollar weltweit aus. Die Märkte für Immobilien als auch für Anleihen sind jeweils rund dreimal so groß wie der Währungsmarkt. Entsprechend ist es auch aus Investitionssicht gar nicht negativ zu sehen, wenn Bitcoin nicht als digitales Geld, sondern als digitaler Wertespeicher eingeordnet wird. Laut Saylor ist der potenzielle Markt für digitales Eigentum beziehungsweise digitales Kapital, was Bitcoin seiner Meinung nach am genauesten beschreibt, rund 100 bis 400 Billionen US-Dollar groß. Entsprechend hält der MicroStrategy-Gründer einen 100- bis 400-mal so hohe Marktkapitalisierung wie aktuell für angemessen.

Was ist Bitcoin? Es ist digitales Kapital. Wie groß ist der adressierbare Markt für digitales Kapital? Irgendwo zwischen 100 und 400 Billionen US-Dollar. Also, was ist Bitcoin? Es ist eine Verhundert- bis Vervierhundertfachung von hier aus, sobald du verstehst, was es ist.
Michael Saylor in einem Interview

Laut Saylor ist auch nicht unbedingt wahrscheinlich, dass der US-Dollar kollabieren wird. Er sieht eher einen weiteren stetigen Kaufkraftverlust der Weltwährung, wie in den vergangenen 100 Jahren. Seit Gründung der US-Zentralbank im Jahr 1913 hat der US-Dollar rund 97 Prozent an Wert verloren, ob man das bereits einen Kollaps nennt, liegt im Auge des Betrachters.

Im Angesicht der ausufernden Staatsschulden der USA, die mittlerweile auch rund 120 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachen, sowie des zunehmenden Vertrauensverlustes in die Weltwährung, wird ein noch stärkerer Wertverlust des US-Dollars jedoch wahrscheinlicher. Momentan ist auch der US-Bankensektor unter Druck. Die Geldinstitute sitzen weiterhin auf hohen unrealisierten Verlust aufgrund des Kursrückgangs der vermeintlich sicheren Anleihen auf ihrer Bilanz. Diese Problematik führte vor etwas mehr als einem Jahr zu mit den größten Bankenpleiten in der Geschichte der USA. 

Laut der FDIC, der staatlichen Einlagenversicherungsgesellschaft, ist die Anzahl der kollapsgefährdeten US-Banken im ersten Quartal weiter angestiegen, von 52 auf 63. Sollte das US-Bankensystem zusammenbrechen und entsprechend die Zentralbank mit frisch gedrucktem Geld dem System erneut – wie in der Finanzkrise 2008 – unter die Arme greifen müssen, so könnte dies die Stärke des US-Dollars weiter untergraben. Auch wenn der US-Dollar wohl noch jahrzehntelang ein Machtinstrument der USA sein wird, bleibt es spannend zu beobachten, ob die Weltwährung weiter an Relevanz verliert und ob Bitcoin sich als besseres Reserve-Asset oder langfristig sogar als Weltwährung etablieren kann. Die Voraussetzungen dafür bringt Satoshi Nakamotos Kreation alle Male mit.

Über den Autor: Tristan

Tristan ist studierter Volkswirt mit journalistischer Erfahrung außerhalb von Blocktrainer.de. Seit 2020 ist Tristan im Bitcoin-Space aktiv, schon in den Jahren zuvor beschäftigte er sich mit libertärer Wirtschaftstheorie.

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