Afrika und Bitcoin haben eine besondere Beziehung. Das Potenzial ist sehr groß, dass Bitcoin auf dem Kontinent dauerhaft ein wichtiger Bestandteil im Leben der Menschen bleibt. Blocktrainer.de berichtete bereits über die hohe Adoptionsrate in Nigeria, den sozialen Einfluss von Bitcoin in Malawi oder die Rolle von Bitcoin als Katalysator für den Ausbau der Stromnetze.

Auch in Kenia spielt Bitcoin eine immer wichtigere Rolle im Alltag der Bürger. Das ostafrikanische Land ist eine besondere Region für den afrikanischen Bitcoin-Space, denn dort entstanden Projekte, die den gesamten Kontinent zum Positiven verändern könnten: Bitcoin DADA und Gridless.

Was steckt hinter diesen Initiativen? Und fördert ihr Engagement eine „symbiotische Beziehung“ zwischen Bitcoin und Afrika?

Die finanzielle Situation in Kenia

Kenia ist ein wichtiger wirtschaftlicher und politischer Akteur in Ostafrika, der eine zentrale Rolle im Handel, bei friedenserhaltende Maßnahmen und diplomatischen Konfliktlösungen in dieser Region Afrikas einnimmt. Für das Wirtschaftswachstum im Land sorgen vor allem der Privatsektor, die Landwirtschaft sowie die Dienstleistungsbranche.

Das Land kämpft jedoch auch mit großen finanziellen Herausforderungen wie der Staatsverschuldung. Kenia hat circa 11,3 Billionen Kenia-Schilling (ca. 94 Milliarden US-Dollar) Schulden, was im Jahr 2023 73 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entsprach. 55 Prozent der Schulden sind Auslandsschulden. Die hohen Zinssätze in den vergangenen Jahren haben die Schuldensituation von Kenia noch weiter verschlimmert. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat dem Land bereits bestimmte Maßnahmen aufgezwungen, um die öffentliche Finanzverwaltung effizienter zu machen und die Korruption zu bekämpfen.

Um die Schulden zurückzuzahlen oder Öl, Düngemittel, Fabrikanlagen oder Flugzeuge zu erwerben, benötigen Länder wie Kenia, Malawi oder die Demokratische Republik Kongo US-Dollar, Euro oder Yuan. Dabei ist es keine Option, einfach die regionale Währung zu drucken, um damit zum Beispiel US-Dollar zu kaufen, da es die eigene Währung nur noch wertloser machen würde. Aus diesen Gründen setzen die afrikanischen Länder auf den Export. Sie produzieren nicht die Produkte, die sie bräuchten, sondern die in den USA, Europa oder China nachgefragt werden. Kenia ist nicht umsonst der größte Blumenexporteur der Welt. Die Abhängigkeit vom Ausland ist demnach sehr groß.

Zudem ist der interkontinentale Zahlungsverkehr oft mit Verzögerungen, Bürokratie und Gebühren beziehungsweise Rent-Seeking aus dem Ausland verbunden. Laut dem Autor und Strategieleiter der Human Rights Foundation, Alex Gladstein, der einen Essay über Bitcoin in Afrika verfasst hat, haben bis Ende 2022 entweder europäische oder US-amerikanische Unternehmen 80 Prozent aller Zahlungen innerhalb Afrikas abgewickelt und entsprechend an den Gebühren verdient.

Die kenianische Bevölkerung hat außerdem mit einem erheblichen Kaufkraftverlust zu kämpfen, was sich durch klimatische und geopolitische Krisen zusätzlich verstärkt. Der kenianische Schilling ist zwar stabiler als andere afrikanische Währungen, doch im Jahr 2023 wertete er um 21 Prozent gegenüber dem US-Dollar ab, der ebenso gegenüber Waren und Dienstleistungen an Wert verlor. Der Kaufkraftverlust und die daraus resultierenden zusätzlichen wirtschaftlichen Belastungen sorgten vor allem in armen städtischen Gebieten für eine hohe Jugendarbeitslosigkeit und soziale Unruhen.

M-Pesa

Ein weiterer negativer Aspekt ist der fehlende Zugang zum Bankensystem. Um die finanzielle Inklusion und die Armutsbekämpfung voranzutreiben, hat die kenianische Mobilfunkfirma Safaricom zusammen mit Vodafone M-Pesa entwickelt und Anfang 2007 in Kenia eingeführt. Es ist ein System für bargeldlose Zahlungsabwicklungen über Mobiltelefone. Dabei können die Nutzer ihr elektronisches M-Pesa-Guthaben über spezielle Händler per Bargeldeinzahlung aufladen (bzw. auszahlen lassen) und daraufhin andere Nutzer bargeldlos per SMS bezahlen. Auch Menschen ohne M-Pesa-Konto ist es möglich, über die Händler Geld von M-Pesa-Nutzern zu erhalten.

Doch diese Digitalisierung der Finanzdienstleistungen bringt auch Nachteile mit sich. Kritiker werfen Safaricom vor, die monopolähnliche Stellung mit überhöhten Preisen auszunutzen. So hat die fehlende Konkurrenz in Kenia dazu geführt, dass die Gebühr für die Übertragung selbst von Kleinstbeträgen das Zehnfache kostet als beim selben Anbieter in Nachbarländern, wo mehr Konkurrenz vorhanden ist. Dies soll auch die wirtschaftliche Entwicklung Kenias behindert haben. Außerdem gibt es in Kenia kein Datenschutzgesetz, sodass die sensiblen Nutzerdaten gefährdet sind und auch schon weitergegeben wurden.

Ermächtigung der Frauen – Lorraine Marcel und Bitcoin DADA

Lorraine Marcel ist eine kenianische Unternehmerin und Aktivistin. Sie leitete zunächst das Eventberatungsunternehmen Loryce und hat sich im Jahr 2022 entschieden, die Initiative Bitcoin „DADA“ (Swahili für „Schwester“) zu gründen, die auch von der Human Rights Foundation unterstützt wird. In dem Essay von Alex Gladstein erzählt sie die Geschichte von Bitcoin DADA.

Während sie sich durch die ständigen Steuererhöhungen der Regierung, welche zu stark steigenden Güterpreisen führten, immer weniger von ihrem Ersparten leisten konnte, hörte Marcel im Jahr 2018 auf einer Veranstaltung das erste Mal von Kryptowährungen. Sie interessierte sich für Bitcoin.

Zu dieser Zeit war jedoch vorrangig das Thema Blockchain in Kenia sehr präsent. Da es noch keine Bildungsinitiativen in diesem Bereich gab, fielen viele Menschen den Betrugsmaschen verschiedener Token-Anbieter zum Opfer, was Marcel sehr beschäftigte.

Nach einer Eventpause aufgrund der COVID-Pandemie half Marcel im Jahr 2022 bei der Organisation einer Bitcoin-Veranstaltung in Nairobi. Auf dem Event bemerkte Marcel die niedrige Frauenquote, die sogar noch viel geringer war als bei den meisten Kryptoveranstaltungen. Sie habe festgestellt, dass die Frauen den Veranstaltungen fern blieben, weil die Community sowie das Thema Finanzen von Männern dominiert wurden, erklärte sie gegenüber Gladstein.

Finanzen gelten als Männersache, deshalb werden Frauen finanziell missbraucht. Ich will die Frauen nicht zurücklassen.
Lorraine Marcel im Interview

Marcel entschloss sich, einen Safe Space für Frauen zu schaffen, in dem sie interessierten Frauen und Mädchen in einem sechs-wöchigen Kurs mehr über Bitcoin und finanzielle Freiheit vermittelt. So entstand Bitcoin DADA. Dieses Bildungsangebot nahmen zunächst Marcels Freundinnen und schon bald weitere kenianische Frauen in Anspruch. Mehr als 300 Frauen sollen mittlerweile bereits teilgenommen haben.

700 Millionen potenzielle afrikanische Bitcoin-Nutzerinnen

Weitere Inspiration holte sich Marcel auf der Africa Bitcoin Conference, an der sie im Jahr 2022 durch die Unterstützung von Anita Posch teilnehmen konnte. Seitdem unterstützt Marcel Frauen im Bitcoin-Space, optimiert ein Mentorenprogramm von DADA und gibt für alle Interessierten Schulungen an Universitäten. Dabei warnt sie unter anderem auch vor den betrügerischen Machenschaften anderer Kryptoprojekte (wie etwa Worldcoin). Schließlich weitete sich Bitcoin DADA auch auf andere afrikanische Länder wie Uganda, Nigeria, Südafrika und Tansania aus. Dort bringen einstige Absolventinnen von Marcels Kurs nun weiteren afrikanischen Frauen bei, warum Bitcoin für sie wichtig ist.

Marcels Ziel ist es, die Freiheit der 700 Millionen afrikanischen Frauen zu verbessern und sie alle zu Bitcoinerinnen zu machen, indem sie ein alternatives Währungssystem nutzen, das nicht von der Regierung, dem Ausland oder ihren Ehemännern kontrolliert werden kann. Zudem hilft Bitcoin dabei, dass ausländische Hilfen dort ankommen, wo sie gebraucht werden, wie zum Beispiel bei einem von Marcel unterstützten Schulprojekt in Kibera in Nairobi, dem größten städtischen Slum in Afrika.

Es ist schwer, Afrikaner zu sein, und noch schwerer, eine afrikanische Frau zu sein. [Bitcoin] gibt uns finanzielle Unabhängigkeit und die Möglichkeit, an uns selbst zu arbeiten. […]
Bitcoin bietet einen Ausweg aus Makroproblemen wie der Währungsabwertung und Mikroproblemen wie der Unterdrückung im Haushalt. Viele ausländische Hilfen kommen in den Slums nicht an. […] 
Wir beseitigen die Verschwendung und die Korruption.
Lorraine Marcel im Interview

Machankura – Bitcoin ohne Internet

In den Kursen von Bitcoin DADA vermittelt Marcel mithilfe des in El Salvador entwickelten Lehrbuchs von Mi Primer Bitcoin ein solides Verständnis von Bitcoin und bringt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei, wie die Selbstverwahrung funktioniert und wie der Kauf von KYC-freien Bitcoin abläuft. Um mit dem kenianischen Zahlungsabwicklungssystem für Mobiltelefone, M-Pesa, ohne reguläres Bankkonto, ohne konsistente Handy-Daten und ggf. auch ohne Internetverbindung Bitcoin zu kaufen, zu erhalten und zu versenden, empfiehlt Marcel Online-Wallets wie Muun, Phoenix oder Wallet of Satoshi, Apps wie Bitnob oder Tando sowie den Dienst Machankura.
 

Machankura ist ein von Kgothatso Ngako in Südafrika entwickelter Service, der es Mobiltelefon-Nutzern ermöglicht, auch ohne Internetverbindung, copy&paste-Funktion oder QR-Code-Scanner Bitcoin zu senden, zu empfangen und aufzubewahren. Dabei können die Nutzer über Telefonnummern oder mittels „Lightning-Nutzernamen“ Bitcoin transferieren oder normale On-chain-Adressen oder Lightning-Invoices nutzen, wenn das Gerät es zulässt. Die Verknüpfung mit einem Gutscheindienst wie Azteco ermöglicht auch die Aufladung des Machankura-Benutzerkontos mittels Gutschein-Code.

Während Bitcoin mit seiner dezentralisierten Natur in Regionen mit keiner oder nur unzuverlässiger Bankeninfrastruktur ein alternatives Währungssystem darstellt, das unabhängig vom Staat (und Ehemann) als ein Werkzeug für finanzielle Selbstständigkeit genutzt werden kann, ermöglicht Machankara zusätzlich die Nutzung von Bitcoin ohne Internet und mit nahezu jeder Art von Mobiltelefon.

Gridless – Energieverwertung und Unabhängigkeit durch Bitcoin

Neben fehlendem Zugang zu Banken, Internet und passender Hardware, mangelt es in Afrika vielen Menschen auch am Zugang zu Strom – einem der wichtigsten Aspekte für eine bessere Lebensperspektive. 400 Millionen Menschen in Afrika leben ohne Elektrizität.

Kenia verfügt über eine Menge billiger geothermischer Energie, die jedoch oft nicht genutzt oder erschlossen wird, weil die Regierung die finanziellen Mittel bereits für andere Projekte ausgibt, wie die Zahlungen für teure Windenergie aus dem großen Windpark Turkana im Nordwesten Kenias. Ohne die staatliche Unterstützung hätte es keinen Einkommensstrom gegeben, der für die Errichtung der Windanlage notwendig war, obwohl sie jahrelang keine zahlenden Abnehmer hatte.

Wie die Gründer von Gridless, Erik Hersman, Philip Walton und Janet Maingi, im Interview mit Alex Gladstein äußerten, haben sie bereits vor zehn Jahren über eine Lösung für diese Verschwendung nachgedacht. Sie suchten nach einem großen Abnehmer, der ortsunabhängig ist und nicht viel Konnektivität braucht. Die Idee einer Aluminiumverarbeitungsanlage wurde schnell verworfen, da es eine zu große logistische Herausforderung darstellte. Schließlich fanden sie die Lösung in Bitcoin, realisierten diese Idee jedoch erst im Jahr 2022 mit der Gründung von ihrem Unternehmen Gridless.

Das große Problem, das uns jeden Tag antreibt, ist die Zahl der Menschen, die auf diesem Kontinent keinen Strom haben. Das ist unmöglich zu begreifen. […] Es ist so ungeheuerlich und unfassbar. Und ohne Strom gibt es keine Freiheit. Aber jetzt können wir dieses Problem lösen und gleichzeitig Geld verdienen.
Erik Hersman im Interview

Neue Perspektiven durch nachhaltige Elektrifizierung

Gridless startete zahlreiche Projekte, um ländliche Energieprobleme in Afrika mittels Bitcoin-Mining zu lösen. Blocktrainer.de berichte bereits über einen Standort in Malawi, der auch in Alana Mediavillas Dokumentarfilmen „Stranded“ und „Dirty Coin“ thematisiert wird.

Auch in Kenia entstanden einige Standorte mit Kraftwerken (meist kleine Wasserkraftwerke der Firma HydroBox), die erst durch das Bitcoin-Mining finanzierbar und profitabel wurden. Gleichzeitig bot die Elektrizität den Menschen neue Möglichkeiten und Lebensperspektiven sowie Zeitersparnisse in verschiedenen Bereichen. Kühlschränke konnten nicht nur Medizin lagern, sondern auch wirtschaftliche Tätigkeiten fördern. Elektrisches Licht ersetzte Kerzen oder Kerosinlampen und erleichterte somit beispielsweise das Lernen der Kinder für die Schule. In einem Ausschnitt aus der Dokumentation „No more inflation“ von BitcoinShooter.com erhält man einen kleinen Eindruck von derartigen Projekten in Kenia.

Die Gründer von Gridless sind sich einig, dass Bitcoin-Mining dazu beitragen wird, den Zugang zu Strom in manchen afrikanischen Ländern auf nahezu 100 Prozent zu erhöhen und den Pro-Kopf-Stromverbrauch auf dem Kontinent bis zum Ende des Jahrhunderts auf das Niveau von Nordeuropa zu bringen.

Geothermie

Um das Potenzial des Bitcoin-Minings einschätzen zu können, hat Alex Gladstein zusammen mit Erik Hersman einen Standort von Gridless am Naivashasee im Südwesten Kenias besucht. Das besondere an diesem Standort ist die Nutzung von Geothermie.

Geothermie ist absolut beständig und sauber und somit eine der attraktivsten Stromquellen, die es gibt. Denn im Gegensatz zu Solar- und Windkraft besitzt Erdwärme keinen intermittierenden Charakter. Selbst die Wasserkraft kann sich in trockenen Monaten verlangsamen und bietet demnach keine beständige Energieversorgung.

Die Geothermieanlage am Naivashasee erzeugt Strom, indem heißer Dampf aus einem 2.000 Meter tiefen Loch in eine Turbine geleitet wird. Das Kraftwerk hat eine Kapazität von 1,4 Megawatt und könnte ohne Unterbrechung und Veränderung der Stromerzeugung 40 Jahre lang laufen. Dabei ist die Kapazität noch nicht an ihre Grenzen gestoßen. Der Vorarbeiter der Anlage bemerkte, dass die geothermische Energie der unmittelbaren Umgebung bis zu zehn Gigawatt Strom liefern könnte.

Der erzeugte Strom treibt eine etwa 1.000 Meter entfernte Wasserpumpe am See an, die das Seewasser zu nahe gelegenen Blumenfarmen pumpt, um die Felder zu bewässern. Da die Pumpen aber nicht durchgängig Strom verbrauchen, die Erdwärme jedoch durchgängig Energie liefert, bleibt eine große Menge an Strom ungenutzt. Die Speicherung der Energie in Batterien ist momentan weder wirtschaftlich noch technisch sinnvoll.

Anstatt die überschüssige Energie ungenutzt zu lassen, betreibt Gridless damit in der Nähe der Pumpe in einem Container mit Starlink-Satelliten-Internet 144 Bitcoin-Mining-Geräte von Whatsminer. Laut Angaben des Betreibers verbrauchen diese ASICs durchschnittlich 375 Kilowattstunden pro Tag. Die Einnahmen, die sich durch das Bitcoin-Mining erzielen lassen, sind abhängig vom Bitcoin-Preis, der auch die Hashrate und somit die Schwierigkeit des Netzwerks beeinflusst. Der Betreiber hat eine Studie durchgeführt, in der die Einnahmen in den nächsten fünf Jahren auf 7 – 9 Cent pro Kilowattstunde geschätzt werden. Pro Tag nimmt die Anlage also ein paar hundert US-Dollar ein, wovon Gridless als Pauschalgebühr für die Nutzung der sonst verschwendeten Energie 30 Prozent an den Betreiber des Geothermie-Kraftwerks zahlt.

Die Kosten für die Anlage, einschließlich der Mining-Geräte und der Infrastruktur, liegen im niedrigen sechsstelligen Bereich. So kann Gridless die Anlage in der Regel innerhalb weniger Jahre refinanzieren. Die Erdwärme liefert der Landwirtschaft die notwendige Energie und die Bitcoin-Mining-Anlage monetarisiert die Überschussenergie und eliminiert damit die Stromverschwendung.

Wenn man weiß, dass man in Zukunft ein Kraftwerk mit variablem Bedarf baut, wird man das Bitcoin-Mining von Anfang an einbeziehen. Ansonsten verschwendet man Energie.
Erik Hersman im Interview

Biomasse

Aufgrund der Zuverlässigkeit setzt Gridless vorrangig auf kleine Wasserkraftwerke und Erdwärme, aber auch andere Energieformen zieht das Unternehmen in Betracht. Solar- und Windkraft sind jedoch aufgrund ihres intermittierenden Charakters nicht durchgängig verfügbar. Insbesondere Solarkraftwerke könnten zusätzliche Investitionen in teure Batterietechnologie erfordern, um rentabel zu sein. Dadurch würden auch die Gesamtkosten für den Betrieb des Kraftwerks steigen, was diese Option unattraktiver macht.

Deutlich attraktiver erscheint für Gridless die Energie aus Biomasse. Das Unternehmen hat in diesem Jahr in Ostafrika zwei neue, mit Biomasse betriebene Bitcoin-Mining-Anlagen als Ergänzung für zwei Industriebetriebe (Verarbeitungsanlagen für Zucker bzw. Sisal-Fasern) errichtet. In beiden Anlagen wird durch die Verbrennung von überschüssigem Pflanzenmaterial bei hoher Auslastung Wasser zum Kochen gebracht und damit eine Turbine angetrieben, die Strom erzeugt. Trotz des Verbrennungsprozesses gilt dieser Vorgang im Allgemeinen als sauber und erneuerbar, da Pflanzen Kohlenstoffdioxid aus der Luft aufnehmen und ihn beim Verbrennen wieder abgeben.  

Da es in der Umgebung keine weiteren Stromabnehmer gibt, wird entweder auf die Stromerzeugungsfunktion gänzlich verzichtet oder der Strom in den Boden zurückgeführt und somit verschwendet. Dank Gridless laufen diese Anlagen nun auf Hochtouren und verwandeln den zuvor verwaisten Strom in Kapital.

ASICs werden ein integrierter Bestandteil eines jeden Energiestandorts sein. Eine Turbine, ein Transformator und ein Mining-Container.
Philip Walton im Interview

Stabilisierung der Stromnetze

Im Gespräch mit Gridless-Mitbegründerin Janet Maingi erfährt Gladstein auch von den zahlreichen Stromausfällen in Kenia und der Strategie von Gridless, derartige Ausfälle in ihren kleinen netzunabhängigen Energieprojekten zu verhindern. Ähnlich wie die Demand-Response-Programme in Texas bei Hitzewellen oder extremer Kälte, nutzt Gridless die flexiblen Eigenschaften der Bitcoin-Mining-Anlagen, um das Stromnetz zu stabilisieren. Dabei schaltet der Betreiber die Maschinen ab, wenn große Nachfrage besteht, und wieder an, wenn die Nachfrage gering ist. Dadurch können Energieüberschüsse absorbiert und Stromausfälle verhindert werden, ohne eine Beeinträchtigung der ASICs.

Wie das Beispiel Texas zeigt, kann dieses Konzept problemlos von kleinen netzunabhängigen Stromnetzen auf die nationalen Netze übertragen werden und den Stromproblemen des afrikanischen Kontinents entgegenwirken.

Weniger Abhängigkeit vom Ausland

Das Konzept von Gridless hat gezeigt, dass die Integration von Bitcoin-Mining-Anlagen in diverse Energieprojekte der afrikanischen Bevölkerung die Möglichkeit bietet, verlorene Überschussenergie zu nutzen und zu monetarisieren sowie Stromnetze zu stabiliseren. Zudem ist es sehr profitabel und könnte ein Vorbild für andere Projekte sein. 

Deutlich größere Anlagen würden auch deutlich mehr Bruttoeinnahmen einbringen, und zwar in einer soliden Form von Geld, ohne den Kaufkraftverlust, die bürokratischen Hindernisse, Gebühren und Devisenkosten des etablierten Geldsystems. Bitcoin verschafft der Bevölkerung Zugang zu einem Wirtschaftssystem, das nicht auf ausländischen Krediten mit strengen Auflagen und Gebühren und somit auf der Abhängigkeit vom Ausland beruht.

Wenn Bitcoin ein immer größerer Teil der Weltwirtschaft wird, werden afrikanische Nationen in der Lage sein, ihre Energie in eine globale Reservewährung umzuwandeln, ohne ein Imperium oder eine weit entfernte Macht um Erlaubnis zu fragen oder mit ihr Geschäfte zu machen.
Alex Gladstein

Mit Bitcoin wären Geschäfte innerhalb Afrikas auf Peer-to-Peer-Basis möglich, ohne eine Art Tributsteuer an ausländische Unternehmen zahlen zu müssen.

Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Aspekte entwickeln und ob Bitcoin irgendwann die Ungerechtigkeiten des heutigen globalen Finanzsystems beseitigen kann, bei dem die privilegierte Minderheit der Weltbevölkerung eine frei handelbare und allgemein akzeptierte Reservewährung nutzt, während der Rest der Welt mit minderwertigen Geldtechnologien zurechtkommen muss.

Bis dahin bleibt es bittere Realität, dass der Geburtsort über die Qualität der Währung entscheidet und verschiedene Regierungen ihre korrupten Machenschaften durch die absichtliche Abwertung der Währung realisieren können.

Wenn die afrikanischen Regierungen Bitcoin in ihre Finanz- und Energiepolitik integrieren würden, anstatt Ausgaben zu reduzieren, Steuern zu erhöhen oder sich weiter vom Ausland (durch Kredite oder Aktienverkäufe) finanzieren zu lassen und somit die Abhängigkeit beizubehalten, könnten sie Kapital mit Überschussenergie erwirtschaften, das letztlich irgendwann vielleicht auch zur Tilgung der Schulden reichen könnte.

Die symbiotische Beziehung zwischen Bitcoin und Afrika

Der kostengünstige bis kostenlose Strom macht Afrika zu einem attraktiven Standort für Mining-Unternehmen. Dort bleiben nicht nur ältere ASIC-Modelle weiterhin rentabel, es besteht auch eine gewisse Unabhängigkeit von Krisen und Kriegen, die in den westlich geprägten Ländern zu erhöhten Energiepreisen und somit zu einer Einschränkung der westlichen Mining-Operationen führen könnten.

Hier sieht Gladstein eine symbiotische Beziehung zwischen Bitcoin und Afrika. Bitcoin könne nicht nur viel für die afrikanische Bevölkerung tun, sondern Afrika auch viel für Bitcoin.

Wenn Unternehmen und eines Tages auch Nationalstaaten und Konzerne damit beginnen, die tausenden von Gigawatt verschwendeter und ungenutzter Energie des Kontinents aus Wasser, Erdwärme und Biomasse in Kapital umzuwandeln und all diese Elektrizität über ein dezentrales und unverbundenes Netzsystem in das Bitcoin-Netzwerk einzuspeisen, dann haben wir eine viel unaufhaltsamere globale Währung.
Alex Gladstein

Zudem treiben das profitable Gridless-Konzept des netzunabhängigen Minings sowie die Banken-unabhängige Nutzung von Bitcoin mittels Diensten wie Machankura die Dezentralisierung und die Stärkung des Bitcoin-Netzwerks weiter voran.

Fazit

In Kenia sind mit Gridless und Bitcoin DADA zwei Projekte entstanden, von denen nicht nur die Menschen in Afrika, sondern das ganze Bitcoin-Netzwerk profitieren.

Das Energiekonzept von Gridless nutzt das Bitcoin-Mining, um zahlreiche Menschen mit Strom zu versorgen, Überschussenergie zu monetarisieren und somit die Energieverschwendung zu beseitigen. Damit hat Gridless gezeigt, dass Bitcoin-Mining den Menschen direkt hilft und für Energieunternehmen unverzichtbar ist, um Energieverschwendung zu verhindern. Damit die Bitcoin-Erlöse von allen afrikanischen Bürgerinnen und Bürgern genutzt werden können, stellt sich Bitcoin DADA der Herausforderung, die Frauenquote in der von Männern dominierten Community zu steigern sowie Bildungsangebote zu schaffen, die auch den Umgang mit Bitcoin ohne Bankkonto und Internetzugang vermitteln und somit finanzielle Unabhängigkeit ermöglichen.

Sobald die afrikanischen Regierungen den Mehrwert des Energiekonzepts und der finanziellen Unabhängigkeit auch für sich erkennen und sie Bitcoin als Werkzeug wahrnehmen, mit dem sie in der Lage sind, die wertvollen Energiequellen Afrikas in ein hartes Geld umzuwandeln und finanziell souveräner zu werden, kann vielleicht auch die Abhängigkeit vom Ausland durchbrochen werden.

Gleichzeitig würde das Bitcoin-Netzwerk durch die zunehmende Dezentralisierung der Mining-Aktivitäten und somit der Hashrate sowie der weiteren Adoption noch stärker werden. Somit zeigen die Aktivitäten rund um Bitcoin in Kenia, dass Bitcoin und Afrika gegenseitig voneinander profitieren können. Diese Win-Win-Situation sollte auch eine Inspiration für weitere Länder sein.

Stefan

Über den Autor: Stefan

Stefan ist studierter Medienwissenschaftler und Sinologe sowie selbstständig im künstlerisch-publizistischen Bereich. Neben den monetären Eigenschaften interessiert er sich vor allem für die sozialen und ökologischen Aspekte von Bitcoin und dem Bitcoin-Mining.

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