Eine neue, unabhängige Studie im „International Journal of Electrical Power and Energy Systems“ beschäftigt sich mit der Integration von Mining-Anlagen für Bitcoin und andere Kryptowährungen in Energiespeichersystemen von lokal abgegrenzten Stromnetzen, den sogenannten Microgrids. Die Autoren der Studie sind an verschiedenen Universitäten im Iran, in Finnland und Kanada tätig. Sie verdeutlichen in der Studie das große Potenzial vom Mining bei der Unterstützung der Energiewende und bezeichnen die Krypto-Mining-Anlagen selbst als virtuelle Energiespeichersysteme, in denen der Überschuss von erneuerbaren Energiequellen gespeichert werden kann.

Hintergrund der Studie

Um die Energiewende voranzutreiben und dem Klimawandel entgegenzuwirken, gibt es weltweit Maßnahmen zur Umstellung von fossilen zu kohlenstoffarmen Energiesystemen. Eine bedeutende Rolle spielt dabei die Integration von erneuerbaren Energiequellen, wie zum Beispiel Solar- und Windenergie. Der intermittierende Charakter dieser erneuerbaren Energien führt jedoch auch zu Herausforderungen, wie dem Umgang mit Überproduktion und Engpässen sowie dem Ausgleich von Angebot und Nachfrage im Stromnetz (Leistungsschwankungen; Instabilität) und den damit verbundenen steigenden Kosten.

Energiespeichersysteme

In einem lokalen Stromnetz, das aus Stromerzeugungsanlagen aus erneuerbaren Energien und Energiespeichern besteht, kann die während nachfrageschwachen Zeiten erzeugte, überschüssige Energie durch flexible Energiesysteme genutzt beziehungsweise gespeichert werden. Dazu gehören zum Beispiel flexible Abnehmer wie Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen, die sich der Nachfrage anpassen, und/oder Batterien, in denen die Energie gespeichert wird. Die meisten herkömmlichen Energiespeichersysteme sind für den kurzfristigen Gebrauch optimiert und deren Speicherkapazität ist begrenzt. Aufgrund der Preise für die Energiespeicherung ist es manchmal jedoch sogar kostengünstiger, die Energie ungenutzt zu lassen und zu vergeuden.

Bitcoin-Mining-Anlagen als Energiespeicher

Gleichzeitig sind erneuerbare Energien aufgrund von Umweltauflagen und Rentabilität zunehmend auch Bestandteil von Mining-Anlagen für Kryptowährungen. Die Bitcoin-Mining-Industrie ist in den letzten Jahren zur derzeitig nachhaltigsten globalen Branche geworden – Blocktrainer.de berichtete. Darüber hinaus gibt es zahlreiche praktische Beispiele, die den sozialen und ökologischen Nutzen der mobilen und modularen Rechenzentren des Bitcoin-Minings belegen. Beispiele sind die für die Bekämpfung des Klimawandels wichtige Reduzierung von CO₂- und Methan-Emissionen (z. B. auf Mülldeponien), die Förderung der Infrastruktur für erneuerbare Energiequellen, verschiedene Konzepte zur Abwärmenutzung, der Zugang zu Strom oder die Stabilisierung der Stromnetze und -preise durch die Fähigkeit, schnell hoch- oder herunterzufahren (Demand-Response-Programme). Viele Konzepte beruhen auf der Umwandlung ungenutzter Energie in einen monetären Wert, der letztlich die Betriebskosten senkt oder investiert wird, zum Beispiel in den Ausbau der Infrastruktur. Vereinzelt gibt es auch wissenschaftliche Studien zu diesen Aspekten (Stromnetz, Emissionen).

Die neue Studie mit dem Titel „Cryptocurrency mining as a novel virtual energy storage system in islanded and grid-connected microgrids“ befasst sich erstmals mit der Speicherung von elektrischer Überschussenergie in Kryptowährungen wie Bitcoin. Die mobilen und modularen Rechenzentren des Bitcoin-Minings eignen sich als flexible Abnehmer, die für den Betreiber des Microgrids kostenlose elektrische Überschussenergie umwandeln und „als Geld speichern“. Das Geld wird durch den Konsensmechanismus des Proof-of-Work validiert und kann in traditionelles Geld umgetauscht und dann zum Kauf elektrischer Energie auf dem Großmarkt verwendet werden und nicht zum Ausbau der Infrastruktur wie in anderen praktischen Beispielen. Die Energiespeicherung und -umwandlung findet also auf einem indirekten Weg statt, denn natürlich kann keine Energie direkt in Bitcoin gespeichert oder aus Bitcoin zurückgewonnen werden. Die Bitcoin-Anlagen gelten demnach nicht nur als Energieverbraucher mit flexiblen und schnell reagierenden Eigenschaften, sondern auch als virtueller Energiespeicher, der Überschussenergie in der Kryptowährung speichert, mit der bei Bedarf unterschiedliche Energiemengen auf dem Strommarkt zurückgekauft werden kann.

Die Studie beschreibt dieses neue Modell und die entsprechenden Berechnungsmodelle für die effiziente Integration in das Stromnetz. Damit schließen die Autoren eine Lücke in der wissenschaftlichen Literatur.

Vorteile vom Bitcoin-Mining

Anhand einer Fallstudie mit Referenzdaten der Energieerzeugung, -verteilung und -speicherung auf einer finnischen Insel in dem Zeitraum von Anfang 2020 bis Ende 2022 werden Vergleiche gezogen und die Vorteile des Bitcoin-Minings beleuchtet. Unter Berücksichtigung der dynamischen Natur von Microgrids mit erneuerbaren Energiequellen und der möglichen Echtzeitanpassung als Reaktion auf Netzbedingungen und Nachfrageschwankungen beschreibt die Studie bestimmte Berechnungsmodelle für verschiedene Kraftwerke von erneuerbaren Energiequellen, die dann für die kostenbasierte Optimierung der Bitcoin-Mining-Anlagen und dessen Energiemanagement- und Steuerungssysteme benutzt werden können, um den maximalen Nutzen aus den Anlagen zu ziehen.

Die Fallstudie bezieht sich auf ein Microgrid, das aus 50 Haushalten besteht, die sowohl von erneuerbaren Energiequellen als auch dem Hauptnetz versorgt werden. Im Fokus stehen der Inselbetrieb sowie der netzgebundene Betrieb des lokalen Stromnetzes sowohl mit als auch ohne Einsatz des Bitcoin-Minings zur Energiespeicherung.

Reduzierung von Kosten und Energieverlusten

Aus den Ergebnissen der Fallstudie geht hervor, dass das Bitcoin-Mining vor allem zu einer bedeutenden Reduzierung der ungenutzten Energie und der Betriebskosten führt. Während im reinen Inselbetrieb die nicht genutzte, vergeudete Energie einem Wert von knapp 191 Megawattstunden (MWh) entspricht, wird diese Zahl durch die „Speicherung“ der Energie in Bitcoin auf einen Bruchteil (0,14 MWh) reduziert. Ähnlich verhält es sich bei dem netzgebundenen Betrieb, bei dem Überschussenergie bei der entsprechenden Nachfrage (für ein Drittel des Kaufpreises) an das Hauptnetz verkauft wird. Ohne Bitcoin-Mining blieben 10,3 MWh ungenutzt. Der Einsatz des virtuellen „Bitcoin-Mining-Speichers“ zeigt hingegen, dass es wirtschaftlicher ist, die Überschussenergie in Bitcoin zu „speichern“, als sie zu verkaufen, was die Speicherkapazität erhöht und die ungenutzte und damit verlorene Energie auf null MWh reduziert.

Ähnlich verhält es sich mit den Betriebskosten und der dementsprechend kürzeren Amortisationszeit für die Investitionen der Stromnetzbetreiber. Der Inselbetrieb mit Bitcoin-Mining als Speicher der Überschussenergie spart im Vergleich zum reinen Inselbetrieb 7,4 Prozent der Kosten, mit einem Return on Investment (ROI) von 44,2 Prozent. Beim netzgebundenen Betrieb werden mit dem Bitcoin-Mining sogar 46,5 Prozent der Kosten gespart und der ROI beträgt 51,6 Prozent.

Vergleich zu konventionellen Energiespeichersystemen

Während überschüssige Energie für herkömmliche Energiespeichersysteme oft eine Herausforderung darstellt, weil diese Systeme meist für die Deckung des kurzfristigen Energiebedarfs optimiert sind und deren Speicherkapazität begrenzt ist, können virtuelle Energiespeicher, die auf Bitcoin-Mining beruhen, hingegen über längere Zeiträume Energie speichern und somit den langfristigen Energiebedarf decken. Dabei werden auch wirtschaftliche Vorteile geboten.

Die Gesamtkosten des Stromnetzes reduzieren sich, wenn das Energiespeichersystem mit Bitcoin-Mining die erneuerbare Überschussenergie während hochproduktiven Zeiten, wie im Sommer und Herbst, in Bitcoin speichert und diese später in Form von gekaufter Energie wieder abgibt. Dadurch deckt das Modell langfristig den Energiebedarf und optimiert die Nutzung der erneuerbaren Energien.

Die Fähigkeit des [Energiespeichersystems mit Bitcoin-Mining], monatliche/saisonale Erzeugungs- und Verbrauchsverschiebungen oder monatliches/saisonales Peak-Shaving zu ermöglichen, führt nicht nur zu wirtschaftlichen Einsparungen, sondern steht auch im Einklang mit den umfassenderen Zielen nachhaltiger Energiepraktiken und fördert eine widerstandsfähigere und anpassungsfähigere Energieinfrastruktur. Dieser innovative Ansatz zur Energiespeicherung und zum Energiemanagement hat das Potenzial, die Dynamik des Microgrid-Betriebs neu zu gestalten und den Weg für eine effizientere und umweltbewusstere Energienutzung auf breiter Ebene zu ebnen.

Auszug aus der Studie

Entladungszeit

Ein Abschnitt in der Studie widmet sich speziell dem technischen Vergleich des virtuellen Energiespeichers des Bitcoin-Minings mit konventionellen elektrischen Energiespeichersystemen, die in unterschiedliche Gruppen einteilbar sind. Dabei geht es um technische Aspekte wie Leistungsbereich, Entladungszeit, Energieleistung, Leistungs- und Energiedichte, Reaktionszeit, Lebensdauer und Lebenszyklus, Betriebstemperatur, Nennspannung, Investitionskosten, Selbstentladung und Gesamteffizienz (Wirkungsgrad).

Es wird deutlich, dass Bitcoin-Mining viele Vorteile im Vergleich zu konventionellen Energiespeichern besitzt. Ein entscheidender Unterschied ist, wie schon erwähnt, die besondere Art und Weise, wie die kostenlose Überschussenergie, die sonst vergeudet würde, in einem monetären Wert gespeichert wird, der später zum Kauf von Strom Anwendung findet.

Das wirkt sich auf viele technischen Aspekte aus, wie zum Beispiel die Entladungszeit des virtuellen Energiespeichers. Die Entladungszeit ist abhängig vom Preis der geschürften Kryptowährung sowie von dem aktuellen Strompreis und der Menge des gesparten Geldes aus dem Mining, für die es in Fiatwährung gerechnet keine Obergrenze gibt. Ein Anstieg des Kryptowährungspreises erhöht die Menge der Energie, die aus dem Netz gekauft werden kann. Im Umkehrschluss reduziert sich mit fallendem Preis auch die Energiemenge.

Unendliche Speicherkapazität und Lebenszyklen

Durch die Speicherung der kostenlosen Überschussenergie in einem monetären Wert auf einer Wallet ist die Energieleistung bzw. die Energiespeicherkapazität unbegrenzt. Im Verhältnis zum Gewicht können die „Bitcoin-Energiespeicher“ unendlich Energie speichern und mehr Energie liefern als die konventionellen Speicher.

Außerdem kann man die Wallet gleichzeitig „laden“ und „entladen“ und der Lebenszyklus ist endlos, während die herkömmlichen Energiespeichersysteme bei jedem Lade- und Entladezyklus an Leistung verlieren. Die Lebensdauer der mechanischen Komponenten kann bei den konventionellen Systemen jedoch bedeutend höher sein als bei den ASIC-Minern, die eine erwartete Betriebsdauer von 2,5 bis 5 Jahren besitzen.

Die konventionellen Systeme können die gespeicherte Energie aufgrund von Selbstentladungsverlusten jedoch nicht auf einem konstanten Niveau halten. Das Verhältnis von gespeicherter zu entnommener Energie (Gesamteffizienz/Wirkungsgrad) liegt bei diesen Systemen zwischen 30 und 95 Prozent. Bei virtuellen „Bitcoin-Mining-Energiespeichern“ steigt und fällt die Gesamteffizienz mit dem Bitcoin- und Strompreis.

Weitere Vorteile der virtuellen Bitcoin-Energiespeichersysteme im Vergleich zu physischen Batteriespeichern sind geringere Wartungs-, Installations- und Entsorgungskosten und kürzere Amortisationszeiten, höhere Skalierbarkeit und schnellere Reaktionszeiten. Zudem gibt es keine Kapitalkosten für die Energie. Die Portabilität der gespeicherten Energie ist ebenfalls ohne Kosten verbunden.

Fazit

Die vorgestellte, unabhängige Studie stellt Mining-Anlagen für Kryptowährungen als letzte Instanz für Betreiber von lokalen Stromnetzen vor, um überschüssige Energie zu speichern. Die Überschussenergie gilt als Energiequelle für die Mining-Geräte, die Kryptowährungen erzeugen, die als Grundlage für den Kauf von Energie gelten, die bei Energieengpässen im Netz benötigt wird. 

Anhand von Daten einer Fallstudie aus Finnland weisen die Autoren der Studie nach, dass der Einsatz von Mining-Anlagen als virtueller Energiespeicher die Betriebskosten und die Menge der ungenutzten Überschussenergie erheblich reduzieren kann. Hinzu kommen außerdem die Verringerung der Treibhausgasemissionen und eine Steigerung der Zuverlässigkeit des Stromnetzes. Es ist eine innovative, flexible und anpassungsfähige Lösung für die langfristige Energiespeicherung und die optimierte Nutzung erneuerbarer Energien, die eine wichtige Rolle beim Übergang zu nachhaltigen und wirtschaftlich tragfähigen Energiesystemen spielen kann.

Die Studie bietet zwar Berechnungsmodelle an, doch die problemlose Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Stromnetze in anderen Ländern und unter anderen Bedingungen ist nicht garantiert. Es müssen die hohen Energieanforderungen, regulatorische Herausforderungen und Marktrisiken sorgfältig abgewogen werden. Eine detaillierte und spezifische Analyse der jeweiligen lokalen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen ist notwendig, um die Machbarkeit und Effizienz dieses Ansatzes zu bewerten. Letztlich stellt diese Studie eine Grundlage für die weitere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik sowie Vergleichen zu anderen innovativen und langfristigen Energiespeichermethoden wie zum Beispiel mit Wasserstoff dar.

Solange die Speicherung von Energie in herkömmlichen Energiespeichersystemen zu kostspielig ist und keine besseren Alternativen auf dem Markt erscheinen, bleibt das Bitcoin-Mining als letzte Instanz der Energieverwertung eine vielversprechende Lösung für alle Stromnetzbetreiber.

Über den Autor: Stefan

Stefan ist studierter Medienwissenschaftler und Sinologe sowie selbstständig im künstlerisch-publizistischen Bereich. Neben den monetären Eigenschaften interessiert er sich vor allem für die sozialen und ökologischen Aspekte von Bitcoin und dem Bitcoin-Mining.

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